Berliner Morgenpost: Über die schwierige Zukunft von BVG und S-Bahn
Berlin (ots)
Auch wenn es für die genervten Fahrgäste der S-Bahn wie Hohn klingen mag: Berlin ist immer noch stolz auf sein System des öffentlichen Nahverkehrs. Es vergeht keine Gesprächsrunde zur Zukunft der Stadt und keine Konferenz zum Klimaschutz, in der Senatsvertreter nicht auf das dichte Netz aus Bahnen und Bussen verweisen, das die Stadt wie kaum eine zweite Metropole der Welt zusammenhält. Die jüngsten Nachrichten von der Nahverkehrsfront, vom Chaos bei der S-Bahn und Finanzlöchern bei der BVG, zeigen jedoch, dass dieses im Kern 100 Jahre alte System aus Stadtbahnen, U-Bahnen, Tram- und Buslinien der Pflege und sinnvollen Weiterentwicklung bedarf. Die S-Bahn wird von ihrem Mutterkonzern Deutsche Bahn dermaßen ausgequetscht, dass auf absehbare Zeit aus Sicherheitsgründen nur noch ein Rumpfbetrieb möglich ist. Es ist heuchlerisch, wenn die Bahn-Zentrale nun vier Manager austauscht, obwohl die doch nur das umgesetzt haben, was ihnen ihre Chefs im Bahn-Tower aufgetragen haben: Nämlich aus dem Schienenunternehmen, bei dem Berlin und Brandenburg für viele Millionen Verkehrsleistungen bestellen, riesige Summen zu pressen. Sie trieben es so weit, bis das System kollabierte. Angesichts solcher Vorgänge müsste auch dem letzten Zweifler klar geworden sein, dass Berlins Schnellbahnsystem dringend Wettbewerb braucht. Schlimmer als der Staatskonzern Bahn hätte sich die letzte Heuschrecke nicht verhalten. Der Senat muss seinen Auftragnehmer S-Bahn für sein Versagen sanktionieren und Millionen einbehalten. Die könnte er in das zweite Nahverkehrssorgenkind, die landeseigene BVG stecken. Die liefert zwar anders als die S-Bahn einen soliden Job auf Schienen und Straßen, ist aber finanziell eine Zeitbombe: 700 Millionen Euro Schulden, an den Finanzmärkten verzockte Millionen, dauernde Defizite, auch wegen der Tarifversprechen des Senats an die Mitarbeiter. Da ist es richtig, wenn der neue Finanzsenator und BVG-Aufsichtsratschef Ulrich Nußbaum sich jetzt ehrlich machen will und feststellt, man dürfe der BVG nicht ungebremst neue Schulden aufladen. Sein Vorgänger Thilo Sarrazin hatte das explizit anders gesehen. Aus seiner Sicht hat nur der Druck der Defizite das BVG-Management zur Effizienz im eigenen Laden gezwungen. Selbst wenn vor allem in der BVG-Zentrale noch einiges zu holen wäre, muss Berlins Politik die Zukunftsfrage beantworten: Wie viel Mobilität ohne eigenes Auto wollen wir uns leisten? Wie viel zahlen die Nutzer der BVG über ihre Fahrscheine? Und was übernimmt über den Landeshaushalt die Gemeinschaft der Steuerzahler, also auch jene Bürger, die nicht Bus und Bahn fahren? Die Antworten moderner Stadtpolitik können nur lauten: Wir brauchen viel öffentlichen Verkehr, aber vielleicht nicht mehr in der alleinigen Hand der bisherigen Großunternehmen. Und bezahlen sollen alle, nicht nur die BVG-Kunden. Wenn mehr Menschen auf ihr privates Auto verzichten können, steigt auch die Lebensqualität für alle, und Berlin wird noch attraktiver.
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