Berliner Morgenpost: Senatsumbildung: Zwei raus, zwei rein - das ist noch kein Neustart
Berlin (ots)
Ist das jetzt der Neuanfang im Berliner Senat? Die SPD tauscht Thilo Sarrazin, den es zur Bundesbank zog, gegen den Unternehmer Ulrich Nußbaum aus. Und die Linkspartei wird im Oktober Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner durch die Fraktionschefin Carola Bluhm ersetzen. Um eines gleich festzuhalten: Ein Neustart sieht anders aus. Was also kann man von den beiden "Jung"-Senatoren erwarten? Nußbaum hat gezeigt, dass er sich schnell einarbeiten und größere Ausgabenwünsche offensiv abwehren kann. Das verdient Anerkennung, ist aber noch kein politisches Gestalten. Carola Bluhm wird sicherlich für einige Akzente sorgen, damit die Linkspartei noch ein wenig sozialer wirkt als die Sozialdemokratie. Allerdings erbt sie einen vorgefertigten Haushalt von ihrer Vorgängerin. An den großen Stellschrauben wird sie nicht mehr drehen können. Eine wirkliche und damit eben auch inhaltliche Neuausrichtung des Senats ist nicht gewünscht - schon gar nicht vom Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), der mit sich und der Politik in Berlin zufrieden ist. Wowereit hat den Bundestagswahlkampf vor Augen. Dort kann er sich präsentieren und in Stellung bringen für höhere Aufgaben. Heute beispielsweise tritt er in Bonn auf. Der Regierende Bürgermeister ist offenbar nicht gewillt, eine größere Senatsumbildung in Angriff zu nehmen. Dabei stockt seit Monaten das politische Fortkommen. In der Schulpolitik streiten sich Linke und Bildungssenator Jürgen Zöllner. Am Dienstag soll die Schulreform nun im vierten Anlauf endlich durch den Senat. In der inneren Sicherheit fiel Senator Ehrhart Körting (SPD) zuletzt eher durch umstrittene Äußerungen und die Verschiebung der Tarifgespräche mit dem öffentlichen Dienst auf. Auch Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD), deren politische Zukunft schon unmittelbar zu Beginn der Legislaturperiode auf der Kippe stand, war in den vergangenen Tagen durch Krawalle im Jugendknast erneut unter politischen Druck geraten. Ausgewechselt werden die Wackelkandidaten aber wohl nicht. Dass jetzt mit Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) erstmals eine Senatorin von einem Abgeordneten aus den eigenen Reihen infrage gestellt wird, ist auch ein Ausdruck, dass die Fraktion unzufrieden ist. Viele wollen nach jahrelanger politischer Kleinarbeit endlich in einer Führungsfunktion gestalten. Sollte Fraktionschef Michael Müller in den Senat wechseln, würde innerhalb der Fraktion ein wichtiger Posten frei. Müller will aber offenbar nicht weichen. Das Grummeln in der SPD-Fraktion wird dadurch noch zunehmen. Die Strategen in der Partei wissen auch, dass man mit neuen Gesichtern in den Wahlkampf 2011 ziehen muss. Die Umfragewerte für die Sozialdemokraten in Berlin sind in den vergangenen Wochen auf 25 Prozentpunkte gefallen. Bei der Abgeordnetenhauswahl 2006 lag die Partei noch bei 30 Prozent. Sollte die SPD bei der Bundestagswahl in Berlin schlecht abschneiden, wird die Diskussion über einen Neuanfang wieder losgehen.
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