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Berliner Morgenpost: Westerwelle wird sich nicht für die Union opfern - Leitartikel

Berlin (ots)

Manch einer reibt sich in diesen Tagen verwundert
die Augen: Wollen CDU/CSU und FDP nicht nach der Bundestagswahl 
miteinander regieren? Statt gemeinsamer Töne im Wahlkampf liegen 
Union und FDP im Dauerclinch, vor allem die CSU-Politiker greifen 
nahezu jeden Tag die Liberalen und ihren Vorsitzenden Guido 
Westerwelle an. Was soll das Ganze?
Nun, man kann die Sache als Wahlkampfgeplänkel abtun, weil 
Schwarz-Gelb, sollte es am Wahlabend die nötige Mehrheit geben, auf 
jeden Fall eine Regierung bilden wird. Und sei es bei einer Stimme 
Mehrheit. Doch der öffentliche Streit hat auch seine Gründe. So ist 
die CSU in Bayern noch immer sauer, dass die FDP ihr bei der 
Landtagswahl im vergangenen Herbst so viele Stimmen abnahm und man 
nun mit ihr gemeinsam eine Koalition bilden muss. Eine Ursache für 
die Wahlniederlage, so die Analyse der Christsozialen, sei auch das 
eigene unklare Profil gewesen. Folgt man dieser These, müssen 
CSU-Parteichef Horst Seehofer und seine Berliner Vorzeigeminister, 
Karl-Theodor zu Guttenberg und Ilse Aigner, klare Kante zeigen.
Noch schwerer wiegt aber die Furcht bei CDU und CSU, dass es auch in 
diesem Jahr wieder ganz knapp werden könnte. Dass die guten Umfragen,
die eine Mehrheit von 52 oder 51 Prozent für Schwarz-Gelb zeigen, 
eben nur gute Umfrage-, aber keine guten Wahlergebnisse sind. Dass 
sich viele Wähler erst ganz kurz vor dem 27.September für 
eine Partei entscheiden. Und dass die FDP, sollte es doch nicht für 
ein Bündnis mit der Union reichen, anders als nach der Wahl im Jahr 
2005 nicht den Märtyrer gibt und eine Koalition mit SPD und Grünen 
ablehnt. In der Union sind sich die meisten sicher, dass Westerwelle 
diesmal ein solches Ampelbündnis eingehen würde, damit er - endlich, 
endlich - Minister wird, damit die FDP wieder was zu Sagen hat.
Deshalb sticheln die Unionspolitiker jetzt gegen Westerwelle, damit 
er sich noch klarer auf eine schwarz-gelbe Koalition festlegen möge. 
Dann kann man, sollte die Wahl doch noch schiefgehen, ihn 
anschließend wenigstens als "Lügner" beschimpfen. Und gleichzeitig 
versuchen CDU und CSU, eine Botschaft zu transportieren: Wer will, 
dass Angela Merkel Bundeskanzlerin bleibt, der muss die Union wählen.
Dass die Folge eines solchen Wahlverhaltens die Fortsetzung der 
großen Koalition sein könnte, das sagt natürlich keiner.
Noch fünf Wochen sind es bis zur Bundestagswahl - eine kurze Zeit für
die Parteien, um ihre unterschiedlichen Positionen den Wählern 
deutlich zu machen. Vielleicht mag sich so mancher in den 
schwarz-gelben Reihen darauf besinnen, dass neue Wähler nur dann 
gewonnen werden, wenn man sie von den Vorschlägen zur Bildungs-, 
Sozial- oder Integrationspolitik überzeugt. Das ist sehr viel 
interessanter als Dauerstreit. Und dann reicht es für Schwarz-Gelb 
allemal - und die Frage, ob Westerwelle eine Regierung mit SPD und 
Grünen bildet, stellt sich erst gar nicht.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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