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Berliner Morgenpost: Auf den Spuren der Empörung - Leitartikel

Berlin (ots)

Kann man ja noch mal drüber nachdenken, an einem
Landtagswahltag, an dessen Ende vermutlich wieder ein Lamento steht, 
über zu viele Nichtwähler und über zu viele Stimmen für Parteien, die
nicht viel mehr draufhaben als das wohlfeile Verstärken allgemeiner 
Unzufriedenheit. Wie kommt es eigentlich dazu? In solchen Zeiten 
zumal? In denen es ja wirklich um was geht in der Politik?
Wer sich umgehört und umgeschaut hat in dieser Woche in den 
Talkshows, in den Tageszeitungen, auf Websites, der konnte Indizien 
sammeln. Zu beobachten war unter dem Stichwort Ackermann-Party ein 
interessantes Phänomen, eine seltsam unterschiedliche Wahrnehmung 
eines ziemlich banalen Vorgangs, eines offenbar gar nicht übermäßig 
üppigen Diners im Berliner Kanzleramt.
Auf der einen Seite also: die gut dosierte, mehr oder weniger 
zurückhaltend formulierte Empörung jenes Teils unserer Gesellschaft, 
der sich darüber wundert, dass man derart kleinkariert sein kann, 
sich über ein simples Abendessen der Bundeskanzlerin mit dem Chef der
Deutschen Bank samt ein paar wenigen geladenen Gäste aufzuregen. 
Völlig unstrittig sei es ja wohl, so die Steinbrücks dieser Republik,
dass eine Kanzlerin derartige Treffen arrangieren darf, ja muss, zum 
Wohle des Landes.
Auf der anderen Seite, vor allem in den Leserbriefrubriken, auf 
interaktiven Internetseiten, an den virtuellen und realen 
Stammtischen dieser Republik: die alles andere als gut dosierten, die
hämischen, pöbelnden, aggressiven Spuren jener Empörung, die ein 
anderer Teil unserer Gesellschaft aus jenem Geburtstagsdiner schöpft.
Er entdeckt darin den quasi ultimativen Beweis dafür, dass in diesem 
Land nur wenig mit rechten Dingen zugeht, dass gekungelt wird und 
gemogelt zu Lasten der Kleinen. Ihr da oben: Dolce Vita, wir hier 
unten: desillusioniert und uneingeladen, zu kurz gekommen.
Ein Essen im Kanzleramt als gefühltes Symbol einer geteilten 
Republik. Das ist gesellschaftlicher Zündstoff, den man besser nicht 
als reine Neiddebatte zur Seite schieben sollte. Menschen, hier wie 
dort, sind nun mal kleinkariert. Und wer Menschen ernst nehmen will -
und das muss Politik, um erfolgreich zu sein -, der sollte sich nicht
über sie erheben. Es spricht für die Bundeskanzlerin und ihr 
politisches Gespür, dass sie eine der wenigen war, die den Unmut 
darüber nicht als Dumpfsinn abgetan hat, sondern zumindest im 
Nachhinein mit bemerkenswertem Verständnis reagierte.
Bundespräsident Horst Köhler hat in seiner Berliner Rede angesichts 
des Versagens der Finanzsysteme mehr Bescheidenheit eingefordert, 
gerade von den Eliten, die ja auch Vorbild sein sollten. Wohlgemerkt:
Bescheidenheit, nicht Sack und Asche. Man darf sich also gerne daran 
erinnern, auch wenn ein paar Frankfurter Börsenpfeile schon wieder 
ein wenig nach oben weisen. Die "Das-steht-mir-zu-Mentalität" 
jedenfalls, mit der zum Beispiel Ulla Schmidt sich und ihre Partei 
ein Stück in Richtung Abgrund manövriert hat und die in manchem 
Beitrag zum Ackermann-Essen mitschwingt, deutet nicht darauf hin, 
dass Köhlers Mahnung angekommen ist.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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