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Berliner Morgenpost: Das Ende der großen Koalition - Kommentar

Berlin (ots)

Das Wunderbare an diesem Wahlergebnis ist, dass die
Damen und Herren Parteipolitiker jetzt Nägel mit Köpfen machen 
können. Die SPD mit den Linken, die CDU mit FDP und Grünen, die CDU 
mit der SPD, auch mal mit der FDP, ganz wie es beliebt in Thüringen, 
dem Saarland und Sachsen. Es gibt immer mehr als eine Option, und 
fast jede derzeit bundesweit einigermaßen realistische 
Bündnismischung hat in mindestens einem der drei Länder eine Chance. 
Ein kleines politisches Chemielabor. Wenn alle Beteiligten 
einigermaßen zu Potte kommen beim Experimentieren, dann könnten die 
in den Ländern erzielten Ergebnisse dem geneigten Bundestagswähler 
durchaus Fingerzeige geben, wohin es denn nun gehen soll mit dieser 
Republik. Links. Rechts. Oder doch lieber weiter so?
Das weniger Wunderbare ist, dass diese Bundestagswahl schon in vier 
Wochen stattfindet. Und bis dahin kann man sich auch locker tot 
stellen. Oder so tun, als würde man sich Gedanken machen über die 
Zukunft seines Bundeslandes, ohne dass dabei irgendetwas klarer wird.
Und dann mal gucken, was so rauskommt am 27. September. Danach ließe 
sich dann sicher viel rücksichtsloser Regierung bilden als zuvor. Man
müsste jedenfalls nicht bedenken, was das eigene Handeln wohl für 
Folgen hätte für den Wahlkampf der anderen. Wenn wir uns nicht sehr 
täuschen in unseren politischen Akteuren, dann ist die Option 
Abwarten für sie ziemlich attraktiv.
Andererseits kann man aus den Wahlergebnissen vom Sonntag auch ohne 
finale Koalitionsbildung vor Ort ein paar Schlüsse ziehen, die einem 
behilflich sein können am 27. September. Der wichtigste vielleicht: 
Es gibt keine "große Koalition" mehr. Dazu ist mindestens die SPD 
viel zu klein geraten mittlerweile. Das Argument, eine Koalition 
zwischen Union und SPD könne immer nur eine Notlösung für vier Jahre 
sein - eine der politischen Grundweisheiten der Bundesrepublik -, ist
aus heutiger Sicht überholt. Eine starke Opposition, keine Frage, 
gibt es künftig auch ohne SPD oder Union. Schwarz-Rot wird somit zu 
einer Koalition von vielen möglichen. Eine Erkenntnis übrigens, die 
Angela Merkel und Frank Walter Steinmeier im Grunde ihres Herzens gar
nicht unsympathisch sein dürfte und über die zu sprechen sein wird 
nach der Bundestagswahl.
Zweitens, nicht wirklich überraschend: Rot-Grün ist platt, diese 
Möglichkeit, an die Macht zu kommen, ist so meilenweit entfernt von 
der Wählerwirklichkeit, dass sie noch nicht mal mehr erwähnt werden 
wird in der heißen Phase des Bundestagswahlkampfs. Ziemlich bitter 
für SPD wie Grüne, die ja immer noch mit Spitzenpersonal durch die 
Gegend laufen, die genau dafür immer wieder die Köpfe hingehalten 
haben. Müntefering, auch Steinmeier, Trittin, Künast, Roth kämpfen 
ihren letzten Kampf. Ohne Regierungsbeteiligung dürfte der Druck groß
werden, die vorderen Plätze zu räumen für die folgende Generation, 
die, kein Zweifel, den Namen Rot-Rot-Grün tragen würde. Eine Aussicht
im Übrigen, die auch manchen, der heute Schwarz-Gelb favorisiert, 
noch nachdenklich machen könnte.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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