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Berliner Morgenpost: Die SPD steckt wieder in der Ypsilanti-Falle - Leitartikel

Berlin (ots)

Man kann dem Linken Bodo Ramelow viel vorwerfen,
aber unterhaltsam ist er bisweilen schon. Bereits deutlich vor dem 
Wahltag in Thüringen hat er seinen sozialdemokratischen Rivalen 
Christoph Matschie als "Herrn Matschilanti" bezeichnet. Eigentlich 
verbieten sich Wortspiele mit Eigennamen, doch in diesem Fall ist die
Lage anders: Ypsilanti, das ist mehr als ein Name, das ist Symbol für
strategisches Versagen und erbärmlichen Umgang miteinander, der der 
SPD nicht nur in Hessen noch viele Jahre nachhängen wird. Jeder 
Sozialdemokrat hätte aus dem Fall Ypsilanti in Hessen lernen können, 
denn kein Fehler wurde ausgelassen, sodass am Ende die maximale 
Niederlage für die SPD stand: Es triumphierte der in der Wahl 2008 
schwer angeschlagene Ministerpräsident Koch, weil er einfach 
abwartete, bis sich die SPD zerlegt hatte und dann in einer 
Wiederwahl sein politisches Fortleben bestätigen ließ.
Christoph Matschie hätte zum Guttenberg der SPD aufsteigen können: 
Auf der einen Seite der Verlierer Althaus, auf der anderen der 
Bösewicht Ramelow - da wäre viel Platz gewesen für eine strategisch 
komfortable Mittelposition. Mit etwas Charme und strategischem 
Vermögen hätte Matschie neben dem Saarländer Maas der SPD geben 
können, was sie am nötigsten braucht: Frische und Perspektive.
Stattdessen herrscht HessenII. Denn der Thüringer mit dem 
erdbeerblonden Haar, das eigentlich den modernen deutschen Helden 
schmückt, hat den Kardinalfehler seiner hessischen Kollegin Ypsilanti
wiederholt: Er hat sich um jegliche Handlungsfreiheit gebracht. Die 
Ankündigung, nur als Ministerpräsident in eine rot-rote Koalition zu 
gehen, halten selbst Linkspartei-Gegner für ziemlich überheblich. 
Würden Daimler und Motor-Schlömer fusionieren, wäre letztere Firma 
wohl auch nicht tonangebend im gemeinsamen Unternehmen.
Und eine große Koalition verbietet sich für Matschie auch - mit einem
Ministerpräsidenten, den die SPD nur noch weghaben wollte. Dass die 
CDU nun aber der Koalition zuliebe einen neuen Kandidaten anbietet, 
ist so unwahrscheinlich wie in Hessen. Im Gegenteil: Matschie hat mit
seinen Angriffen und Bedingungen das durchaus zerfurchte Lager der 
thüringischen Konservativen schlagartig geeint. Nichts schweißt 
fester zusammen als der gemeinsame Feind. Und der heißt nicht 
Althaus, sondern SPD.
Was tun? Eine Regierungsbildung ohne Sozialdemokraten ist in Erfurt 
zwar nicht möglich, aber Matschie hat trotzdem nicht viel zu 
entscheiden, vor der Bundestagswahl schon gar nicht. Er darf entweder
bei Althaus den Vize geben oder bei Ramelow. Ausgerechnet der 
Verlierer und der Bösewicht haben die besten Karten im Erfurter 
Machtpoker.
Matschie bleibt nur die Rolle des Politik-Praktikanten. Mit sehr viel
Glück kommt er an einer Wortbruch-Debatte vorbei und wird nur für 
jugendlichen Übermut gescholten. Dann darf er wenigstens bei der 
Regierungsbildung mitspielen.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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