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Berliner Morgenpost: Platzeck muss Kurs halten - Leitartikel

Berlin (ots)

Was noch vor Wochen undenkbar schien, ist plötzlich
in greifbare Nähe gerückt: Matthias Platzeck denkt ernsthaft über 
Rot-Rot nach. In früheren Wahlkämpfen hat er die Linken noch 
gegeißelt als die Ewiggestrigen. Jetzt will er womöglich mit ihnen 
die Zukunft gestalten.
Ausgerechnet Matthias Platzeck. Er, der immer ein Kämpfer gegen die 
Linken war. Als Bürgerbewegter in Potsdam, als 
Anti-PDS-Oberbürgermeister in der Landeshauptstadt - und als 
Geburtshelfer für Rot-Schwarz 1999 nach dem Verlust der absoluten 
Mehrheit der märkischen SPD. Er, der Arztsohn aus Potsdam, der seine 
bürgerlichen Wurzeln stets betont hat. Rot-Rot war unvorstellbar, 
solange ein Matthias Platzeck das Sagen hat.
Warum nur sollte Brandenburgs Regierungschef jetzt den Partner 
wechseln? Unbestreitbar hat die große Koalition von SPD und CDU das 
Land in den zehn gemeinsamen Jahren vorangebracht. Die vergangenen 
fünf Jahre waren - so sagt Platzeck selbst - die erfolgreichsten seit
Brandenburgs Bestehen. Die Arbeitslosigkeit liegt mit 11,5 Prozent 
weit unter den 14 Prozent in Berlin, wo Rot-Rot regiert. Das 
Exportvolumen hat sich seit 2005 nahezu verdoppelt. Der positive 
Trend setzt sich in anderen Bereichen fort. So mauserte sich 
Brandenburg vom Pisa-Verlierer zum Pisa-Aufsteiger.
Holt Matthias Platzeck die Linke in die Regierung, hätte das also nur
machttaktische Gründe. Indem er sie in die Verantwortung nimmt, macht
er in den schwierigen finanziellen Zeiten eine unbequeme 
Sozialopposition mundtot. Die Hoffnung, sie gleichzeitig zu 
entzaubern, dürfte aber nicht aufgehen: In Berlin hat die 
Regierungsbeteiligung der Linken die SPD geschwächt. Platzeck erwiese
sich zudem als Erfüllungsgehilfe einer verzweifelten Bundes-SPD: 
Ausgerechnet er, der Mann der Mitte, würde die Öffnung gegenüber der 
Linken befördern.
Vor allem: Mit der SED-Nachfolgepartei würden auch ehemalige 
Stasi-Mitarbeiter in die Regierung einziehen. Die Spitzenkandidatin 
der Linken, Kerstin Kaiser, hätte Anspruch auf das Amt der 
Vizeministerpräsidentin. Ehemalige Stasi-Leute am Kabinettstisch - 
auch 20 Jahre nach der politischen Wende für viele eine unerträgliche
Vorstellung. Der Imageschaden für das Land wäre enorm. Die SPD-Basis 
fordert daher mittlerweile immer lauter den Verzicht von 
Ex-Stasi-Leuten auf das Regierungsamt. Nur wird sich die Linke ihr 
Führungspersonal kaum vorschreiben lassen.
Bei den rot-roten Erwägungen der SPD spielt sicherlich auch der 
Zustand des bisherigen Koalitionspartners eine Rolle. Jahrelange 
interne Machtkämpfe in der Union ließen zunehmend an ihrer 
Verlässlichkeit zweifeln. Spätestens nach dem Landtagswahlergebnis 
unter der 20-Prozent-Marke dürfte die CDU aber begriffen haben, dass 
sie nur geschlossen erfolgreich sein kann.
Matthias Platzeck muss sich entscheiden: Geht es ihm allein um die 
Partei, mag Rot-Rot eine Option sein. Geht es ihm um Brandenburg, 
muss er Kurs halten - mit Rot-Schwarz.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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