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Berliner Morgenpost: Laute Töne, leise Sieger und ein paar Fragen - Kommentar

Berlin (ots)

So ist das nun mal bei Koalitionsverhandlungen,
auch bei solchen, bei denen ein Scheitern von vornherein 
ausgeschlossen ist, wie im aktuellen Fall. Man plustert sich auf. Man
brüllt sich kurz vor dem Ziel noch mal kräftig an, damit einen auch 
alle hören. Und dann unterschreibt man.
Ein Scheitern der Verhandlungen? Undenkbar. Nach all den 
gegenseitigen Liebesbekundungen der vergangenen - na, sagen wir - 
acht, neun Jahre. Ausgeschlossen. CDU und CSU und FDP werden einen 
Koalitionsvertrag vereinbaren in den kommenden Tagen. Da mögen sich 
Wulff und Westerwelle noch so sehr ins Zeug legen beim Erwecken des 
Eindrucks, man könne auch anders. Nein, können sie nicht.
Und auch das ist klar: Am Ende dieser Verhandlungen werden alle drei 
Parteien als Sieger daraus hervorgehen. Der Koalitionsvertrag wird 
sowohl die deutliche Handschrift der CSU als auch die mindestens 
ebenso deutliche der FDP tragen. Und die der CDU natürlich, nur dass 
die diesen Umstand, dem Naturell der Kanzlerin entsprechend, etwas 
weniger lautstark betonen wird als ihre beiden Partner Seehofer und 
Westerwelle es nötig zu haben scheinen. Wahre Sieger genießen still, 
diese Regel beherzigt niemand so sehr wie Angela Merkel.
Am Ende, auch das weiß die große Strategin, das wissen im Grunde aber
auch alle anderen Beteiligten, geht es ohnehin um Nuancen und nicht 
um große Sprünge. Das liegt zum einen an der allseits bekannten 
Schieflage der Staatsfinanzen. Das liegt zum anderen aber auch daran,
dass nicht nur die beiden sogenannten Volksparteien sich in den 
vergangenen Jahren aufeinander zubewegt haben. Im Grunde sind alle 
einigermaßen bürgerlichen Parteien - Union, SPD, FDP, Grüne - enger 
zusammengerückt, auf den großen Feldern der Politik allemal. Selbst 
die Linke, die ja immer die allerdicksten Backen macht, rückt 
spätestens in dem Moment Richtung gesellschaftlicher Mitte, in dem 
sie auch nur einen Zipfel Verantwortung übernimmt.
Und dennoch gibt es ein paar Dinge, auf die man achten sollte in den 
nächsten Tagen, spätestens wenn der schwarz-gelbe Vertrag vorgelegt 
wird: Wie werden die Steuererleichterungen, ohne die es nach dem 
Getöse von FDP und CSU ja nicht mehr geht, finanziert? Steigen im 
Gegenzug die Abgaben? Zum Beispiel über erhöhte Krankenkassen- oder 
Arbeitslosenbeiträge? Über die Streichung sogenannter 
Steuerprivilegien, bei der es natürlich auch nur in den seltensten 
Fällen gerecht zugehen würde. Man denke nur an die beträchtlichen 
Einbußen, die zum Beispiel Krankenschwestern oder Beschäftigte im 
noch schlechter bezahlten Pflegedienst hinnehmen müssten, wenn 
Nachtzuschläge künftig nicht mehr steuerbefreit wären. Würde das dann
zum Beispiel der Binnenkonjunktur nutzen, die ja häufig bemüht wird 
in diesen Tagen, um Adam Riese außer Gefecht zu setzen? Oder vertagen
wir die Lasten des nötigen wirtschaftlichen Aufschwungs auf St. 
Nimmerlein, also auf die nachfolgenden Generationen? Das wäre 
natürlich der bequemste, auch der ausgetretenste, aber eben auch der 
schändlichste Weg.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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