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Berliner Morgenpost: Geld allein macht kein Kind glücklich

Berlin (ots)

Kein Zweifel: Es ist richtig, dass die obersten
Gerichte des Landes sich mit der Frage beschäftigen, wie viel Geld 
Kinder aus mittellosen Familien tatsächlich für ein würdiges Leben 
brauchen. Die Debatte über ein paar Euro mehr birgt allerdings auch 
eine tückische Gefahr: Kaum sind Hartz-IV-Sätze und Kindergeld 
erhöht, herrscht der Glaube, dass etwas Gutes getan sei. War ja teuer
genug. Aber Geld ist bei Weitem nicht alles, was Kinder in 
Deutschland brauchen. Im Gegenteil: Die rein ökonomische Sichtweise 
ignoriert wesentliche Mängel, die mit noch so vielen Euro allein 
nicht zu reparieren sind.
Da stellt sich etwa die Frage, ob zusätzliches Geld tatsächlich bei 
denen ankommt, für die es gedacht ist. Lesen Kinder mehr, kommen sie 
besser ausgerüstet in die Schule, werden sie gesünder ernährt, 
bewegen sie sich, erfahren sie größere Zuwendung, wenn der gestresste
Dispo der Eltern leicht aufatmet? Löst mehr Geld tatsächlich die 
grundlegenden Probleme von Familien aus bildungsfernen Schichten? Was
sollen, zweitens, Geringverdiener mit vier, fünf Kindern sagen, die 
sich mit eigener Kraft durch ein karges Leben schlagen und tapfer 
ringen, dass es ihren Kindern mal besser geht?
Man muss nicht gleich den Sarrazin machen, um festzustellen, dass 
Geld zwar eine, aber nicht die einzige Voraussetzung bildet, um 
Kinder seelisch, körperlich und geistig fit zu machen für eine 
komplexe Zukunft. Mehr noch als neue Klamotten braucht der Nachwuchs 
Zeit und Geduld, Aufmerksamkeit und gute Gefühle. Dann nehmen sie 
auch an Internet und Computerspielen keinen Schaden.
Paradoxerweise aber scheinen Kinder gerade in jenen Milieus zu 
verwahrlosen, die, theoretisch jedenfalls, genügend Zeit für 
Erziehung aufbringen müssten. Das weithin grassierende Brutproblem 
ist eben nicht nur ökonomisch begründet. Wer die Grundlagen halbwegs 
ordentlicher Erziehung schon von seinen Vorfahren nicht vermittelt 
bekam und nur dem Fernseher vertraut, der muss den anspruchsvollen 
Job des Elternseins erst einmal lernen. Sonst gehen 50 zusätzliche 
Euro für einen weiteren Systemschein beim Lotto drauf oder eine 
Extraportion Goldkrone.
Es wäre zumindest einen Versuch wert, soziale Leistungen an soziale 
Pflichten zu knüpfen. Eltern, die es nicht schaffen, ihr Kind jeden 
Morgen pünktlich, satt und halbwegs vorbereitet in die Schule zu 
schicken, brauchen statt Geld zunächst mal Nachhilfe in 
Haushaltsführung, Hausaufgabenkontrolle und grundsätzlichen Fragen 
der Pädagogik. Nicht nur Kinder, sondern auch ihre weithin 
ahnungslosen Eltern gehören in die Schule.
Ein paar Milliarden zusätzlich, das ist die billigste Art von Politik
und Gesellschaft, sich aus der Verantwortung zu stehlen, was eine 
Gesellschaft auf Dauer jedoch um so teurer zu stehen kommt. Erst wer 
mit Geld kindgerecht umzugehen weiß, kann höhere Sozialleistungen 
auch sinnvoll einsetzen.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

Original content of: BERLINER MORGENPOST, transmitted by news aktuell

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