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Berliner Morgenpost: Mehr Mut für eine Gesundheitsreform - Leitartikel

Berlin (ots)

Nicht weniger als den Einstieg in eine "neue
Ordnung" will die neue Koalition in der Gesundheitspolitik schaffen. 
Der Verhandlungsführer der FDP für diesen Bereich, Philipp Rösler, 
spricht sogar von einem Finanzierungsmodell für das Gesundheitswesen,
das nicht mehr alle zwei, drei Jahre verändert werden müsse. Und zum 
Beweis für diese Pläne ändert die neue Koalition erst einmal - gar 
nichts.
Der Gesundheitsfonds bleibt zunächst bestehen wie bisher, das ist das
Paradoxe an diesen Reformplänen, auf die Union und FDP sichtlich 
stolz sind. Es gibt auch nach wie vor einen einheitlichen 
Krankenkassenbeitrag. Der einzige Unterschied im nächsten Jahr: 
Kassen, die mit dem Geld aus dem Fonds nicht auskommen, müssen von 
ihren Versicherten zum 1. Januar 2011 - oder noch früher - 
Zusatzbeiträge kassieren. Die Arbeitgeber dürfen sich freuen: Sie 
zahlen nämlich nicht mehr. Der Rest des milliardengroßen Finanzlochs 
bei den Krankenkassen wird einfach über einen noch höheren 
Steuerzuschuss ausgeglichen. Der Staatshaushalt rutscht also vorerst 
noch weiter in die roten Zahlen. Ein Durchbruch sieht anders aus.
Wenn Union und FDP tatsächlich den Anspruch hatten, eine 
Reformkoalition zu bilden, dann sind sie erst einmal kläglich 
gescheitert. Sie retten sich über das Jahr 2010, indem sie die 
verkorkste Gesundheitsreform der großen Koalition erst einmal 
unverändert lassen. Wenn der Unmut der Bürger über die finanziellen 
Belastungen vor der wichtigen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen zu 
groß werden sollte, kann insbesondere die Union sagen: Seht her, das 
ist nichts anderes, als wir mit der SPD beschlossen haben. Die 
Sozialdemokraten werden so in Mithaftung genommen.
Für die Zeit ab 2011 haben die beiden Koalitionäre dagegen Großes 
vor. Sie wollen nun doch noch die umstrittene Gesundheitsprämie 
einführen, um die es zuletzt sehr still geworden war. Kanzlerin 
Angela Merkel hatte sie im Wahlkampf mit keinem Wort erwähnt, doch 
jetzt soll die Prämie ein Comeback erleben. Obwohl die Pläne dafür 
noch hinreichend vage sind, bezeichnen Gewerkschaften, Sozialverbände
und die Opposition sie schon als Teufelswerk. Dabei ist der 
Grundgedanke richtig: Die steigenden Kosten für Gesundheit sollen die
Lohnkosten nicht mehr automatisch nach oben treiben. Und: Der 
Ausgleich zwischen armen und reichen Versicherten soll über Steuern 
stattfinden. Unterm Strich muss das für den Einzelnen nicht teurer 
werden.
Doch so weit sind die Koalitionäre noch lange nicht. Sie müssen nicht
nur erst den öffentlichen Widerstand überwinden. Sie müssen sich 
selbst erst einmal einig werden, denn vor allem die CSU hat noch 
immer Vorbehalte gegen die Prämie. Eine Regierungskommission soll nun
Vorschläge für eine Gesundheitsreform liefern, die erst 2011 starten 
soll. Das erscheint wie ein Beschäftigungsprogramm. Wenn Union und 
FDP wirklich die Gesundheitsprämie einführen wollten, könnten sie 
gleich damit anfangen. Doch sie haben offenbar Angst vor dem Wähler. 
Und die war noch nie ein Ratgeber für "neue Politik".

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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