Berliner Morgenpost: SPD pur in Brandenburg, aber der Makel bleibt - Leitartikel
Berlin (ots)
Was heißt hier eigentlich Rot-Rot? Im Grunde regieren in Brandenburg die Sozialdemokraten im Alleingang. Inhaltlich betrachtet allemal. Als umworbener Partner hat sich Platzecks SPD auf der ganzen Linie durchgesetzt. Die Bedenkzeit, die sich der linke Partner gestern ausbat, unterstreicht diesen Umstand nur. Die Union wollte in Potsdam weiter mitregieren, die linke Konkurrenz dagegen wollte endlich an die Macht. Beide waren bereit, dafür einen hohen Preis zu zahlen. Die SPD entschied sich überraschend für die Linke - und ließ ihr erwartungsgemäß nur wenig Spielraum für eigene Ideen. Das Ergebnis ist ein Regierungsvertrag, der auch die Überschrift "SPD-Wahlprogramm" tragen könnte. Sicher, hier und da hat die Linkspartei einen Punkt setzen können. Bei den 8000 Stellen in einem öffentlich geförderten Arbeitsmarkt zum Beispiel, den es auch unter Rot-Rot in Berlin bereits gibt. Oder bei den zusätzlichen Kita-Erziehern. Vieles war auch von Anfang an ohnehin unstrittig unter den beiden sehr ähnlich gestrickten Partnern - wie der Verzicht auf Studiengebühren. Dort aber, wo sich die Vorstellungen beider Parteien nicht deckten, musste die Linke nachgeben: Auch wenn neue Lehrer, Erzieher und Polizisten eingestellt werden - im Landesdienst wird bis 2019 jede fünfte Stelle gestrichen. Brandenburg setzt weiterhin auf die ungeliebte Braunkohle. Wie in Berlin zeigt die Linke sich äußerst flexibel. Ob der Wähler ihr das lohnt, wird sich erst zeigen. Alle, die befürchten, Rot-Rot werde das Land komplett umwälzen, können beruhigt sein: Der Koalitionsvertrag liest sich nicht wie ein revolutionäres Machwerk. Statt auf Experimente setzen SPD und Linke auf ein bewährtes Regierungsprogramm mit einigen zusätzlichen sozialen Akzenten. So wird die Wirtschaftspolitik wie bisher mit klaren Förderschwerpunkten betrieben. Auch an der Schulstruktur will Rot-Rot nichts ändern. Wen wundert es: Nicht umsonst bezeichnete Platzeck die vergangenen Jahre als die erfolgreichsten. Es stellt sich daher erneut die Frage, weshalb der Ministerpräsident nach zehn Jahren Rot-Schwarz umschwenkte. Und die Antwort bleibt die gleiche: Es gibt keine inhaltlichen Gründe, nur machtstrategische - und vielleicht auch persönliche. Platzeck kann mit den linken Akteuren menschlich besser als mit den meisten Vertretern der neuen CDU. Der SPD-Chef überfordert mit seinem Schwenk weite Teile seiner Partei. Wenn die Basis zustimmen wird, dann nur mit großem Unwohlsein. Die Stasi-Vergangenheit des Linken-Führungspersonal ist nicht nur Fußnote in diesem Vertrag. Die früheren Spitzel sind Mitunterzeichner, Verantwortliche. So pragmatisch auch verhandelt wurde, so wenig Ideologie in das Papier floss - dieses Brandenburger Bündnis steht unter Beobachtung wie keines zuvor. Rot-Rot wird sich vor allem auch daran messen lassen müssen, ob der 18-Milliarden-Schuldenberg ins Unermessliche wächst. Und Platzeck damit ein weiteres Mal seine Linie verlässt.
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