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Berliner Morgenpost: Im Namen der Freiheit Unsinn verzapfen - Leitartikel

Berlin (ots)

Blicken wir kurz noch einmal zurück ins Jahr 1998,
als Rot-Grün gerade eine Wahl gewonnen hatte und dann unter dem 
legendären Motto "Regieren macht Spaß" einen Fehler nach dem anderen 
beging. Die Quittung für diesen Stolperstart wurde später den 
SPD-Landesverbänden ausgehändigt. Sie verloren ihre Wahlen, einer 
nach dem anderen.
Es mag nicht ganz so schlimm sein wie damals. Einem der beiden 
Regierungspartner fehlt ein wenig der Elan, den erst ein längerer 
Verbleib auf den Oppositionsbänken auslöst. Die Union hat ja längst 
wieder gelernt, dass Regieren eben nicht nur für große Freude sorgt, 
sondern vor allem harte Knochenarbeit ist, bei der man zu allem 
Überfluss auch noch ziemlich genau auf die Details achten muss.
Aber gerade deshalb, das lässt sich nach ein paar Wochen 
schwarz-gelber Regierungszusammenarbeit bilanzieren, ist der 
Koalitionsvertrag nicht gerade ein Meisterwerk. Er lässt zu vieles 
offen, im Vagen, Unpräzisen. Die Steuerreform, die Gesundheitsreform,
das Betreuungsgeld, die Laufzeiten der Atomkraftwerke, all das wabert
seit Wochen vor sich hin, ohne Richtung, ohne Ziel, einfach so. 
Buchstäblich jeder, der ein schwarz-gelbes Amt ergattert hat, äußert 
sich zu diesem, zu jenem - der eine so, der andere so. Führung? 
Richtung? Ziele?
Wenn's dann doch mal konkret wird bei Schwarz-Gelb, reibt man sich 
die Augen. Neben Hundefutter und Schnittblumen sollen künftig auch 
Hotelübernachtungen steuerlich begünstigt werden. Heiliger Kirchhof, 
das verstehe, wer will! Gab es nicht mal eine CDU-Vorsitzende, die 
Steuerprivilegien abbauen wollte, statt neue zu erfinden?
Ein Betreuungsgeld zum Beispiel. Was, bitte sehr, soll man von einer 
Debatte halten, die sich darum dreht, in welcher Form im Jahr 2013 
(Zweitausenddreizehn!) dieser bayerische Hausfrauenbonus ausgezahlt 
werden soll? Und in der ausgerechnet eine liberale Partei dafür 
plädiert, ein planwirtschaftlich anmutendes Auszahlungsverfahren 
anzuwenden und die Freiheit der potenziellen Empfänger quasi auf null
zu setzen? Bildungsgutscheine für Null- bis Dreijährige, darauf muss 
man erst mal kommen. Darf man die FDP und auch Teile der Union 
freundlich daran erinnern, dass sie mal für etwas weniger Staat, für 
weniger Gängelung, für mehr Eigenverantwortung eingetreten sind?
Unabhängig von derartigem Zusatzirrsinn, muss man sich ganz 
grundsätzlich fragen, warum die Koalitionäre ausgerechnet über diesen
abseitigen Schauplatz toben, Kanzlerinnen-Machtwort inklusive. Eine 
Prämie dafür auszuloben, dass der Bürger ein staatliches Angebot - in
diesem Fall einen Krippenplatz - nicht nutzt, ist mehr als 
fragwürdig. Wie wär's mit Nichtnutzungsprämien für Universitäten, 
Straßen, Sportplätze? Oder einem Bonus für ganz besonders brave 
Staatsbürger, die niemals an Ereignissen teilhaben, die kostspielige 
Polizeieinsätze erfordern? Der Nichtbesuch eines Fußballstadions zum 
Beispiel könnte so zum privaten Kassenknüller werden. Eine wunderbare
Pandora-Büchse, die sich da langsam öffnet. Passt gut in diesen 
Zeiten, in denen es auf Geld ja offensichtlich nicht mehr so ankommt.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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