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Berliner Morgenpost: Es geht um die Kinder, nicht um die Eltern -leitartikel

Berlin (ots)

Früher war klar: Eine Familie, das sind Vater,
Mutter, Kind und Trauschein. Die Lebenswirklichkeit ist natürlich 
längst eine andere. Aber Familienmodelle ändern sich schneller als 
der rechtliche Rahmen, in denen sie funktionieren müssen. Ehen werden
heute fast so häufig getrennt wie geschlossen - vor fünfzig Jahren 
lag die Scheidungsrate in Deutschland bei 8 Prozent. Und war damals 
ein uneheliches Kind noch die betuschelte Ausnahme, so wird heute 
jedes dritte Kind unehelich geboren.
Ob verheiratet oder nicht: Wenn sich Eltern trennen, muss das Wohl 
des Kindes im Mittelpunkt stehen. Auch dafür steht das gemeinsame 
Sorgerecht. Doch werden ledige Väter in Deutschland bislang vom Recht
- und der Pflicht - sich um ihre Kinder auch nach einer Trennung zu 
kümmern, ausgenommen - wenn die Mütter es so wollen. Unsere 
Rechtsprechung billigt im Streitfall immer den Frauen das alleinige 
Sorgerecht zu. Egal, ob die Eltern nur eine flüchtige Beziehung 
hatten oder jahrelang gemeinsam ihr Kind großzogen. Doch diese 
Rechtsprechung, so entschied nun der Europäische 
Menschrechtsgerichtshof, diskriminiert die unverheirateten Väter.
Nun muss in Deutschland nachgebessert, müssen die Rechte 
unverheirateter Männer gestärkt werden. Das ist eine große Chance - 
vor allem für die Kinder. Häufig stehen sie im Mittelpunkt des 
Trennungskonflikts der Eltern, werden sie als Druckmittel 
missbraucht, fügen sich nicht nur die Partner gegenseitig 
Verletzungen zu, sondern auch ihren Kindern. Für Eltern ist eine 
Trennung schlimm, für Kinder ist sie häufig eine Katastrophe. Diese 
zu mildern, muss das Ziel sein. Natürlich gibt es Väter, die sich 
weder um Rechte und Pflichten, noch um das Kindswohl scheren. Und 
natürlich gibt es Väter, die nur aus Trotz, Prinzip und Narzissmus 
auf ein gemeinsames Sorgerecht pochen. Aber es gibt eben auch viele 
unverheiratete Männer, die auf ihr Sorgerecht verzichten müssen, 
obwohl sie vielleicht schlechte Lebenspartner aber doch gute, 
liebevolle, fürsorgliche Väter sind. All das gilt ebenso für Mütter -
mit dem Unterschied, dass man ihnen eben unterschiedslos die Kinder 
anvertraut.
Ein der gesellschaftlichen Wirklichkeit angepasstes Sorgerecht ist 
überfällig. Wobei Väter, die nicht als Väter taugen, auch künftig 
außen vor bleiben sollten. Nichts, was Juristen nicht regeln könnten.
Viel wichtiger wäre aber, dass Eltern ihre Kinder nicht auf das 
Beziehungsschlachtfeld zerren, dass sie vor dem Gang zum Richter erst
einmal Beratungs- und Moderationsangebote annehmen, von denen es 
leider längst noch nicht genügend gibt. Vor dem Hintergrund einer 
neuen Rechtslage sollten die Zwischeninstanzen gestärkt werden, die 
Paaren bei einer friedlichen Einigung helfen können, ihnen einen Weg 
der Zusammenarbeit aufzeigen, auch wenn sie nicht mehr zusammen 
leben.
Unterm Strich bleibt eine Erkenntnis: Beim Sorgerecht geht es um das 
Wohl der Kinder. Nicht um das der Eltern.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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