Berliner Morgenpost: Die Sünden der Schuldenmacher - Leitartikel
Berlin (ots)
Die Summe ist unvorstellbar: 100 Milliarden Euro neue Schulden will Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) im kommenden Jahr machen - 86 Milliarden Euro direkt über den Bundeshaushalt, weitere 14,5 Milliarden Euro über sogenannte Nebenhaushalte des Bundes wie dem Investitions- und Tilgungsfonds, über den die Konjunkturprogramme abgewickelt werden. Schäuble wird damit der Rekordschuldenmacher der Bundesrepublik. Bislang hielt diesen unschönen Rekord der frühere Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU), der Mitte der 90er-Jahre immerhin 40 Milliarden Euro an neuen Schulden aufnahm. Schon das ist wahnsinnig viel Geld - aber doch nur knapp die Hälfte der Summe, die Schäuble nun plant. Mit seriöser Haushaltspolitik hat dies nicht mehr zu tun. Die schwarz-gelbe Koalition will damit all ihre Vorhaben wie die Steuerentlastungen finanzieren, die Erhöhung des Kinderfreibetrags und des Kindergeldes, die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes, aber eben auch solche unsinnigen Dinge wie die Mehrwertsteuersenkung für Hotelübernachtungen ohne Frühstück. Diese Entlastung kostet pro Jahr allein eine Milliarde Euro und verursacht doch nur noch mehr bürokratischen Aufwand. Aber wahrscheinlich denkt sich mancher in der Koalition - allen voran die CSU-Politiker, die mit Blick auf die bayerischen Urlaubshotels auf diesem Vorhaben bestehen -, dass es bei 100 Milliarden Euro Neuverschuldung auf die eine Milliarde mehr eh nicht ankommt. Auch im Land Berlin ist von Sparen schon lange keine Rede mehr: Mehr als 60 Milliarden Euro Schulden hat das Land schon, nun wird dieser Schuldenberg rapide weiter wachsen, denn bis 2012 will der rot-rote Senat insgesamt 5,5 Milliarden Euro neue Schulden machen. Dafür hat das Abgeordnetenhaus gestern den Weg frei gemacht. Das Geld brauchen die Politiker, um beispielsweise den Kita-Besuch kostenlos anbieten zu können. Auch die Bezirke kommen deutlich mehr Geld. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) möchte 2011 wiedergewählt werden - mit Einschnitten, die die Bürger spüren würden, gewinnt man aber kaum eine Wahl. Und ist diese Haltung nicht sogar opportun, wenn die Bundesregierung noch viel, viel mehr Schulden macht? Sicherlich, in einer Wirtschaftskrise muss der Staat Geld in die Hand nehmen, um Arbeitsplätze zu erhalten und die Konjunktur anzukurbeln. Ebenso ist jeder Cent zusätzlich für Bildung auf den ersten Blick eine gute Sache. Aber eben nur auf den ersten Blick. Viel wichtiger wäre es, jedes Vorhaben zu überprüfen. Können gut verdienende Eltern nicht doch für einen Kitaplatz zahlen, zumal in diesen schwierigen finanziellen Zeiten? Hängt das Überleben der Hotels nicht eher von der Qualität als von einer Mehrwertsteuersenkung ab? Die neuen Milliarden-Schulden, die jetzt gemacht werden, müssen die Kinder und Kindeskinder und Kindeskinderkinder abbezahlen. An ihnen versündigen sich die Schuldenmacher - im Bund und in Berlin.
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