Berliner Morgenpost: Für Guttenberg wird es ernst
Berlin (ots)
Jeden Tag kommt ein bisschen mehr ans Licht: Der Luftangriff bei Kundus Anfang September soll, so wurde gestern bekannt, nicht dazu gedient haben, das nahe gelegene Feldlager der deutschen Bundeswehr zu schützen und einen Angriff der Taliban mit den zwei gekaperten Lastwagen zu verhindern, sondern es war offenbar eine gezielte Attacke auf eine Taliban-Gruppe. So jedenfalls geht es aus einem Bericht von Bundeswehr-Oberst Georg Klein hervor, der damals, am 4. September die Luftunterstützung der US-Armee angefordert und den Befehl für die Bombardierung gegeben hatte. Ziel, so Klein, sei es gewesen, die Gruppe zu "vernichten". Das soll er in seinem Report schon am 5. September geschrieben haben. Auch die Internationale Schutztruppe (Isaf) kommt in ihrem Bericht zu dem Ergebnis, Klein habe die Menschen angreifen wollen, nicht die Fahrzeuge. Das ändert die Sachlage grundlegend, denn das wäre eine "gezielte Tötung" - und die ist im Bundeswehrmandat für Afghanistan nicht vorgesehen. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) sagt zu den neusten Meldungen nichts mehr. Er, der am Freitag überraschend und schon zum zweiten Mal nach Afghanistan geeilt war, verweist jetzt nur noch auf den Untersuchungsausschuss. Doch der Minister ist in Bedrängnis, schon wenige Wochen nach seinem Amtsantritt am 28. Oktober. Sicherlich, er war am 4. September noch nicht für die Bundeswehr zuständig. Der CSU-Mann trägt persönlich für den Luftangriff also keinerlei Verantwortung. Aber für all das, was seit Ende Oktober geschah. Anfang November sagte Guttenberg noch, er halte den Luftangriff für "militärisch angemessen". Diese Äußerung hat er inzwischen revidiert, nachdem Ende November dann neue Details zum Luftangriff bekannt wurden und sein Vorgänger, Minister Franz Josef Jung (CDU), die Konsequenzen zog und zurücktrat. Aber wusste Guttenberg wirklich nichts von dem Klein-Report? Nichts von den Ausführungen der Isaf über Kleins Ziele? All das sind Fragen, die Guttenberg schnellstmöglich beantworten muss. Den Abgeordneten im Untersuchungsausschuss, im Bundestag, aber auch der Öffentlichkeit. Denn natürlich macht es einen Unterschied, ob man aus Selbstschutz die beiden gekaperten Tanklastwagen bombardieren lässt - oder ob man eine Gruppe von Taliban gezielt jagt. Die Informationspolitik des Bundesverteidigungsministeriums ist, so viel steht schon fest, katastrophal. Und schlimmer noch: Angesichts der Fülle der Berichte, die schon Anfang September gefertigt wurden, verstärkt sich der Verdacht, dass die ganze Sache absichtlich verzögert, verheimlicht wurde. Am 27. September stand schließlich eine Bundestagswahl an, im Wahlkampf stritten sich die Parteien auch über den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan. Eine gezielte Tötung von Taliban-Führern hätte sicherlich für heftige Debatten gesorgt, die Bundesregierung aus CDU, CSU und FDP stark unter Druck gesetzt. Guttenberg hat viel aufzuklären.
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