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Berliner Morgenpost: Eine kommunale S-Bahn bietet Berlin Chancen - Leitartikel

Berlin (ots)

Die Sturzfahrt der Berliner S-Bahn ist zum Ende
eines schlimmen Jahres am Tiefpunkt angekommen. Die Aufseher vom 
Eisenbahnbundesamt verlängern die Betriebsgenehmigung der größten 
Nahverkehrstochter der Deutschen Bahn gerade einmal für zwölf Monate.
Richtig so. Wer riesige Summen, die das Land für 
Nahverkehrsleistungen überwiesen hat, in die Konzernkassen lenkt und 
dafür auf Kosten der Sicherheit Wartungsarbeiten unterlässt, hat auch
kein Vertrauen verdient.
Für Berlin stellt sich jetzt die Frage, wie die Stadt und die 
genervten S-Bahn-Kunden aus dem Schlamassel herauskommen. Im Senat 
wird ernsthaft daran gearbeitet, die S-Bahn in die kommunale Hand zu 
bekommen. Das favorisieren SPD, Linke, aber auch Teile der CDU und 
der Grünen. Die andere Seite möchte das S-Bahn-Netz lieber 
ausschreiben und eventuell mehrere Betreiber für die 332 
Streckenkilometer einsetzen. Dieses Modell bevorzugen die Mehrheit 
der CDU, einige Grüne und die FDP.
Das Misstrauensvotum der Aufsichtsbehörde spielt den Befürwortern 
einer Übernahme in die Hände. Die S-Bahn wird dadurch immer weniger 
attraktiv für den Bahn-Konzern. Wenn der Senat obendrein droht, ab 
2017 die lukrativsten Teile des Netzes auszuschreiben, könnten die 
Herren im Bahn-Tower die Lust am Berliner Nahverkehr verlieren und 
den Sanierungsfall S-Bahn günstig ans Land abgeben.
Für Berlin wäre das eine Chance, den Nahverkehr effizienter zu 
gestalten. Dass es nicht optimal ist, in einem Ballungsraum zwei 
Verkehrssysteme zu haben, liegt auf der Hand. Man muss nur an den 
parallel zur S-Bahn-Strecke in Mitte geplanten Bau der sündteuren 
U5 denken, um zu erkennen, dass ein besser abgestimmtes 
Vorgehen möglich wäre. Der Fahrgast will günstig und zuverlässig von 
A nach B - wer ihn befördert, ist ihm völlig egal.
Der Ruf nach privaten Betreibern, die einen Großteil ihrer 
Wettbewerbsvorteile über schlechtere Bezahlung ihres Personals 
erzielen, speist sich aus dem Misstrauen gegen die Berliner Politik 
und die BVG als möglichem Monopolanbieter. Aber anders als bei der 
von der Bundesregierung verantworteten S-Bahn, rollen die Räder bei 
der vom Senat geführten BVG zuverlässig, abgesehen von einigen 
Streiktagen. Die strukturellen finanziellen Schwierigkeiten der BVG 
rühren, von fatalen Fehlspekulationen auf dem Finanzmarkt mal 
abgesehen, aus politischen Entscheidungen, die jährlichen Zuschüsse 
zu kürzen, die Fahrpreise nicht anzuheben und die Mitarbeiter besser 
zu bezahlen.
Öffentlicher Nahverkehr kostet Steuergeld, egal, ob ihn die BVG, die 
S-Bahn oder ein Privater betreibt. Die demokratischen Instanzen einer
Metropole sollten den Anspruch haben, über ein für das städtische 
Leben so wichtiges Thema auch selbst zu bestimmen. Die Erfahrungen 
mit einer auf Privatisierung getrimmten S-Bahn liefern gute 
Argumente, ein isoliertes Nahverkehrssystem nicht dem privaten 
Gewinnstreben zu überlassen. Die Berliner Politik sollte sich 
zutrauen, ein Verkehrsunternehmen so gut zu managen wie ein Privater.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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