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Berliner Morgenpost: Krokodilstränen der Solarwirtschaft - Leitartikel

Berlin (ots)

Im Mittelalter hätte eine totale Sonnenfinsternis
unter den Anbetern des Sonnengottes keine größere Unruhe auslösen 
können: Tausende Mitarbeiter von Solarfirmen protestierten gestern in
Berlin gegen die geplante Kürzung der Einspeisevergütung für 
Sonnenstrom. Ihre Wortwahl fiel drastisch aus: Der von 
Bundesumweltminister Röttgen geplante "Kahlschlag" in der 
Solarförderung bedrohe Zehntausende Arbeitsplätze, gefährde die 
Spitzenposition Deutschlands beim Klimaschutz und beraube die 
Zukunftsbranche ihrer Technologieführerschaft. Harte Vorwürfe. 
Berechtigt sind sie nicht.
Denn auch nach einer Subventionskürzung um 15 Prozent, wie sie 
Röttgen vorschwebt, wirft der Kauf einer Fotovoltaik-Anlage noch weit
mehr als sechs Prozent Rendite ab. Das ist doppelt so hoch wie die 
durchschnittliche Rendite von Bundesanleihen. Der Kaufanreiz bleibt 
also erhalten, die Nachfrage nach Solarmodulen wird weiter wachsen. 
Die von den weltweit höchsten Subventionen verwöhnte deutsche 
Solarbranche weint Krokodilstränen.
Wenn deutsche Solarfirmen auch in Berlin in Bedrängnis kommen, hat 
das nichts mit Subventionskürzung zu tun. Vielmehr haben sie den 
billiger produzierenden Konkurrenten aus Asien einfach nichts mehr 
entgegenzusetzen. Deutsche Technologieführerschaft? Das war einmal. 
Nach dem neuesten Modulvergleich des unabhängigen Testlabors Photon 
kamen im Dezember sieben der zehn ertragreichsten Solarmodule von 
asiatischen Herstellern, allein vier davon aus China. Demgegenüber 
fand sich nur ein einziges deutsches Unternehmen unter den ersten 
zehn. Kein Wunder also, dass längst mehr als die Hälfte aller 
Solarmodule auf deutschen Dächern und Äckern von ausländischen 
Herstellern stammen. Es ist allerdings nicht einzusehen, warum der 
deutsche Verbraucher über seine Stromrechnung zweistellige 
Milliardensummen für eine Einspeisevergütung zahlen soll, wenn diese 
vor allem chinesischen Herstellern zugutekommt.
Denn selten wurden Subventionen auf so uneffiziente Art gewährt. 
Allein die Solarmodule, die im vergangenen Jahr auf deutsche Dächer 
geschraubt wurden, verursachen wegen der über 20 Jahre gesetzlich 
fixierten Vergütung für den Verbraucher Folgekosten von zehn 
Milliarden Euro. Dabei tragen sie kaum messbar zur Stromversorgung 
bei. Und Jahr für Jahr türmen sich weitere "Solarschulden" in 
ähnlicher Höhe auf, die vom Verbraucher abzustottern sind.
Weil der jährliche Zubau an Solarmodulen um einige Hundert 
Prozentpunkte höher ist als die jetzt geplante Senkung der 
Einspeisevergütung, wird die Belastung der Haushalte ohnehin weiter 
steigen - eben nur leicht abgebremst. Konsequent wäre es also, wenn 
Röttgen die Solarsubventionen nicht nur kürzt, sondern auch die 
Gesamtzahl der zu fördernden Anlagen deckelt. Sonst steigt die 
Belastung der Verbraucher weiter ins Uferlose. Dass die 
ertragsschwächste Stromerzeugungstechnik zulasten aller anderen mit 
der höchsten Subvention bedacht wird, ist ein Misstand, den Röttgen 
abstellen muss.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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