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Berliner Morgenpost: Mehr Tranparenz, aber nicht mehr Ausgaben (Leitartikel)

Berlin (ots)

So kennen wir unser Verfassungsgericht
mittlerweile. Klar, deutlich, im Zweifel auf der Seite der 
Schwächeren und einigermaßen rücksichtslos - nicht die Umstände 
wägend, sondern das Grundgesetz. Nach dem gestrigen Urteil hat die 
Regierung - vor allem die zweite Regierung Schröder - bei der 
Ausarbeitung der Hartz-IV-Gesetze geschlampt und Paragrafen nach der 
Formel "Pi mal Daumen" zu Papier gebracht, damit die Würde des 
Einzelnen nicht ausreichend berücksichtigt und den besonderen Schutz,
den Kinder in unserer Gesellschaft genießen, schon lange nicht. Das 
ist deutlich, in Teilen sogar maßlos deutlich.
Denn über die Frage, wie der Mindestbedarf eines Einzelnen, seinen 
individuellen Lebensbedingungen entsprechend und damit gerecht 
ermittelt werden kann, wird man streiten können, bis im Bundestag 
auch der letzte Abgeordnete das Plenum verlassen hat. Ein rechtes, 
gerechtes Maß zu finden für das, was per se unerträglich ist, nämlich
am alleruntersten Ende unseres Sozialsystem auf Kosten anderer zu 
leben, ist eine Arbeit, die auch die klügste Ministerialbürokratie 
überfordert. Eine solche, notwendig beschneidende Gesetzgebung wird 
und muss immer auch willkürlich sein. Es muss über einen Kamm gezogen
werden, was eigentlich nicht über einen Kamm gezogen werden darf.
Man stelle sich nur mal einen Hartz-IV-Antrag vor, der die 
Verhältnisse des Einzelnen noch genauer auslotet, um daraus dann 
einen - möglicherweise - gerechteren Bescheid zu erstellen. Wie lang 
soll ein solcher Antrag sein? Wer soll ihn begreifen? Welche 
Bürokratie sollte ihn überprüfen? Schon der derzeitige Aufwand 
überfordert viele. Die Bundesregierung hat gestern versprochen, 
diesen Anforderungen zügig gerecht zu werden. Dann mal los! Bis zur 
nächsten Verfassungsklage.
Besser wäre es, sich zunächst einmal auf den offensichtlichen 
Kardinalfehler der Hartz-Gesetze zu beschränken, die wurstige 
Behandlung der Kinder. Wobei es eben nicht damit getan ist, die 
Regelsätze für Minderjährige aufzustocken. Wo diese Art von 
Mehrausgaben im Zweifel landen, haben die Herren Buschkowsky und 
Sarrazin sehr undiplomatisch, aber doch zutreffend beschrieben. 
Kinder, Jugend, Bildung, das sind die Prioritäten, die die 
Verfassungsrichter dieser und vermutlich auch noch der nächsten 
Regierung aufgelistet haben. Diesem Auftrag nachzukommen, das steht 
außer Zweifel, wird den Staat, den Steuerzahler zusätzliches Geld 
kosten. Und Geld ist derzeit knapp.
Zwei weitere Schlüsse sollten Union und FDP aus dieser banalen 
Erkenntnis ziehen:
1. Einer Steuerreform, die dem Staat Einnahmen nimmt, hat das 
Verfassungsgericht gestern einen Riegel vorgeschoben. Sie wäre - 
jetzt erst recht - mit der ab 2011 im Grundgesetz verankerten 
Schuldenbremse nicht zu vereinbaren. Sie wäre fahrlässig.
2. Höhere Regelsätze für erwachsene Hartz-IV-Empfänger sind ebenfalls
nicht finanzierbar. Mehr Transparenz ja, mehr Ausgaben nein - auch 
das wäre eine richtige Lehre aus dem Karlsruher Richterspruch.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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