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Berliner Morgenpost: Ein Kompromiss, der auch für Polen gut ist - Leitartikel

Berlin (ots)

Die christlich-liberale Koalition, man glaubt es
kaum, ist noch kompromissfähig. Es ist für die Republik wahrlich kein
besonders relevantes Problem, das die große Koalition ungelöst ihrer 
kleinen Nachfolgerin hinterlassen hatte und für das nun endlich eine 
akzeptable Übereinkunft gefunden wurde. Für die breite Öffentlichkeit
mag der Fall Erika Steinbach eine Marginalie sein - für den 
Seelenfrieden und damit für Entspannung im schwarz-gelben Lager ist 
er von großer Bedeutung. Der bislang glücklose FDP-Chef und 
Bundesaußenminister Guido Westerwelle hat sein Ziel erreicht, die 
Präsidentin des Bundes der Vertriebenen aus dem Stiftungsrat der 
Gedenkstätte für Vertreibung zu verbannen, ohne dass deren 
Fürsprecher in der Union ihr Gesicht verloren haben. Die 
Friedensformel stempelt die BdV-Präsidentin zur Verliererin. Zu 
Recht. Wer wie sie die Bundesregierung zu erpressen versucht hat, 
darf nicht durchkommen.
Nichts anderes als Erpressung war ihr Verlangen, auf einen Sitz im 
Stiftungsrat nur zu verzichten, wenn sich die Bundesregierung künftig
aus der Arbeit der Stiftung für die Gedenkstätte gegen Vertreibung 
völlig heraushält und es allein bei deren Finanzierung belässt. Damit
hatte die Präsidentin und CDU-Bundestagsabgeordnete bei der in ihrer 
Meinungsbildung schwankenden Bundeskanzlerin Angela Merkel endgültig 
überzogen. Und dem Bundesaußenminister die bis dahin fehlenden 
überzeugenden Argumente geliefert, ihrer Person aus Rücksicht auf 
polnische Befindlichkeiten einen Sitz im Stiftungsrat zu verwehren. 
Letztlich ist Frau Steinbach nicht Opfer der völlig überzogenen 
polnischen Kritik an ihr geworden. Sie hat innenpolitisch hoch 
gepokert - und verloren. Dass sie damit ausgerechnet Guido 
Westerwelle zu politischen Punkten verholfen hat, wird sie zusätzlich
verdrießen.
Weit entscheidender als die Personalie Steinbach ist am glücklichen 
Ende, dass die Gedenkstätte zur Erinnerung und Mahnung an Flucht und 
Vertreibung nicht allein von Millionen Deutschen nach dem Zweiten 
Weltkrieg endlich realisiert wird. Viel zu lange sind die Schicksale 
dieser Opfer der verbrecherischen Politik Adolf Hitlers im 
öffentlichen Bewusstsein verdrängt worden. Die Trägerschaft des 
Bundes, die Frau Steinbach verhindern wollte, und die Federführung 
des Deutschen Historischen Museums werden hoffentlich bald auch die 
maßlos überzogenen polnischen Bedenken beseitigen. Wachsen könnte 
außerdem wieder die Bereitschaft Warschaus zur Zusammenarbeit in 
einem gemeinsamen Beirat. Dafür spricht der Kompromiss zur Besetzung 
des Stiftungsrats. Alle vertretenen Gruppen entsenden mehr 
Mitglieder, die in ihrer Gesamtheit aber vom Bundestag zu bestätigen 
sind - Frau Steinbach wollte keine Mitsprache des Bundes. Der 
BdV-Präsidentin bleibt das Verdienst, die Idee zur Gedenkstätte 
angestoßen zu haben.
Mit der gestrigen Entscheidung hat sich nicht nur das Klima in der 
Koalition verbessert, sondern auch das zwischen Deutschland und 
Polen. So etwas nennt man wohl klugen Kompromiss.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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