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Berliner Morgenpost: Zum Schnäppchenpreis in die Grauzone der Macht - Kommentar

Berlin (ots)

Jetzt mal ehrlich: 6000 Euro für ein persönliches
Gespräch mit Deutschlands wichtigstem Ministerpräsidenten, das ist 
doch ein Schnäppchenpreis. Zu diesem Tarif will oder vielmehr wollte 
die CDU in Nordrhein-Westfalen ihren Chef auf dem Parteitag in 
Münster vermieten. Fototermin wäre auch dabei, für die 
Firmen-Website, Lokalzeitung oder die nächsten Weihnachtskarten.
Der herzliche Dank aller um Transparenz bemühten Demokraten geht an 
den Düsseldorfer Landesverband der Union. Ganz offen haben die 
Parteistrategen den Ministerpräsidenten feilgeboten und damit 
dargelegt, was in der Politik ein ziemlich normaler, wenn auch 
weithin beschwiegener Vorgang ist: Ja, Politiker sind gegen Geld für 
ein Gespräch zu gewinnen. Übrigens nicht nur Konservative, sondern 
Vertreter nahezu aller Parteien.
Das Geld, so viel Fairness muss sein, geht allerdings nicht in die 
eigene Tasche, sondern stützt die notorisch klammen Organisationen. 
Es gilt die Regel: Kohle ist Chefsache - wer eine Partei führen will,
muss auch für die Betriebsmittel sorgen. Insofern ist Spendenbesorge 
nichts anderes als praktische Machtpolitik.
Gerade in Wahlkampfzeiten brauchen Parteien Bares. Doch sie stecken 
in einem Dilemma: Da sind die immer wieder verschärften Regeln zur 
Parteienfinanzierung, zugleich schwinden zahlende Mitglieder. Reklame
muss eingekauft werden. Kampagnen kosten Millionen, seien es die 
Plakate, Fernsehspots, Kundgebungen mit Konfetti-Regen und 
Luftballons.
Weil in Deutschland Konsens darüber herrscht, dass man über Geld in 
der Politik entweder überhaupt nicht oder nur abfällig redet, sind 
Parteien gezwungen, unorthodoxe Quellen anzuzapfen. Beliebt im 
letzten Bundestagswahlkampf war das aus den USA bekannte 
Fundraising-Dinner. Ein Abendessen mit der Kanzlerin oder ihrem 
mutmaßlichen Partner Westerwelle kostete jeden Teilnehmer etliche 
tausend Euro, dafür gab dann ein es Menu, einen durchschnittlichen 
Vortrag und nachher noch Gelegenheit zum Plausch.
Die erste Frage: Selbst wenn ein Wirtschaftsboss bei einem solchen 
Abendessen seine Wünsche loswird - werden sie hinterher auch erfüllt?
Nicht auszuschließen, dass Deutschlands Energiekonzerne ihre 
Investitionen in Abendessen inzwischen bereuen. Zweite Frage: Was 
geschieht mit dem Geld? Wer sammelt ein, führt Buch, verwendet es? Es
wäre eine spannende Aufgabe für den Bundestagspräsidenten zu 
ermitteln, wie viele Großplakate eine Partei aufgestellt hat und wie 
viele davon tatsächlich aus der Parteikasse bezahlt worden sind. 
Dritte und wichtigste Frage: Ab welchem Betrag ist ein Politiker 
bereit, Gefälligkeitsentscheidungen zu treffen? Reichen 6000 Euro, 
oder sollte es doch lieber eine Million sein?
Das Beispiel Rüttgers zeigt: Die Parteienfinanzierung in Deutschland 
verharrt in einer Grauzone. Und jede neue Regel verdichtet den Nebel 
noch. Transparenz wäre wünschenswert, wird aber eine Illusion 
bleiben: Denn darüber müssten Parteien entscheiden.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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