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Berliner Morgenpost: Wie die Kirche Vertrauen wieder herstellen kann (Leitartikel)

Berlin (ots)

Die Empörung war zu Recht groß: Jahrzehntelang
wussten die Verantwortlichen im Jesuitenorden von den 
Missbrauchsfällen am Berliner Canisius-Kolleg. Aber es blieb bei 
Versetzungen und Vertuschungen. Wenn die Kirche ihr Glaubwürdigkeit 
retten will, dann muß sich jetzt schnell etwas ändern. Fünf Punkte 
sollte sie dabei beherzigen:
Erstens: eine schonungslose Aufarbeitung. Die katholische Kirche ist 
gefordert, nicht in die Verhaltensmuster der vergangenen Jahrzehnte 
zurückzufallen - und alles intern regeln zu wollen. Es ist Zeit, dass
die Verbrechen von einer Kommission aufgearbeitet und öffentlich 
gemacht werden. Wer von Missbrauchsfällen wusste und noch im Amt ist,
muss zurücktreten - wie es gestern auch wieder geschehen ist.
Zweitens: schonungslose Aufklärung. Den Berichtsauftrag der 
Kommission darf nicht im Ungefähren bleiben, er muss konkret gefasst 
werden: Wer wusste wann Bescheid? Wie wurden die Fälle vertuscht? Was
geschah mit den Opfern? Wenn es Fälle von Selbstmord aufgrund solcher
Missbrauchsfälle gab, gehört das ebenfalls in einen 
Untersuchungsbericht. Solche konkreten Fragen müssen nun gestellt und
dann beantwortet werden. Als Vorbild kann der Untersuchungsausschuss 
im Parlament gelten, der einen klaren Fragenkatalog abarbeitet. Hier 
kann die Kirche von der Politik lernen.
Drittens: die Auswahl der Aufklärer. Es reicht nicht, einen 
Kirchenmann wie den Trierer Bischof als Beauftragten für die 
Aufklärung der Missbrauchsfälle zu installieren. Zum Vergleich: Der 
Wehrbeauftragte der Bundeswehr ist beispielsweise ganz bewusst nicht 
Teil der Generalität. So kann er unabhängig agieren. Es ist also 
sinnvoll, kirchenkritische Außenstehende hinzuzuziehen.
Viertens: die Einschaltung des Staatsanwalts. Wo es möglich ist, muss
Anzeige erstattet werden. Der Rechtstaat muss aufklären und bestrafen
- gerade da, wo es die Kirche nicht schafft. Der Vorsitzende der 
Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, hat recht, 
wenn er auch von einer Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern in 
den Schulen spricht und vor einem Automatismus warnt. Aber die Kirche
darf sich jetzt auch nicht hinter einem falsch verstandenen 
Opferschutz verstecken. Missbrauch von Schülern ist ein sehr 
sensibles Thema. Viele ehemalige Canisianer scheuten die 
Öffentlichkeit, selbst ihren Eltern erzählten sie nichts von den 
Taten der Patres. Es war auch ein System des Schweigens, das die 
Aufklärung jahrzehntelang behinderte.
Fünftens: Vertrauen ist die Grundlage für das Leben in der Kirche und
ihren Schulen. Vertrauen in den Aufklärungswillen der Schulleitung. 
Vertrauen in einen Lehrer oder Beauftragten, an den sich ein Schüler 
wenden kann, ohne gleich Sanktionen befürchten zu müssen. Die Kirche 
täte gut daran, solche Vertrauensleute flächendeckend zu 
installieren.
Neben einer umfassenden Aufarbeitung der Vergangenheit geht es jetzt 
auch darum, die Zukunft der Kirche und ihrer Schulen zu sichern.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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