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Berliner Morgenpost: Ein Haushalt ohne politischen Ehrgeiz - Leitartikel

Berlin (ots)

Das können die Schönfärber in der schwarz-gelben
Koalition selbst wohl nicht ganz ernst meinen: Als Sparkurs zu 
bewerten, was jetzt nach den sogenannten Bereinigungsverhandlungen im
Haushaltsausschuss mit den Stimmen von CDU, CSU und FDP für den 
Bundesetat 2010 beschlossen worden ist, kommt im freundlicheren 
Betrachtungsfall ritualhafter Parteilichkeit gleich, bei 
realistischer Bewertung verantwortungsloser finanzpolitischer 
Ignoranz. Ein Gesamthaushalt von 320 Milliarden Euro, der allein 
durch die verdoppelte Rekordverschuldung auf jetzt 80 Milliarden Euro
ausgeglichen und gegenüber dem ersten Etatentwurf um die bescheidene 
Einsparsumme von 5,6 Milliarden Euro gekürzt wird, dazu noch 
ungedeckte zweistellige Milliardenrisiken beim Bankenrettungsfonds 
und dem Konjunkturpaket II - das sind Summen, die jedes Wunschdenken 
verbieten. Die Koalition muss die Deutschen auf die Realitäten 
einstimmen, wie sie die Griechen - in weitaus schlimmerer Finanzlage 
- zur Einhaltung der Grundrechenarten ermahnt.
Es mag ja richtig sein, dass angesichts der erst zaghaft wieder 
anspringenden Konjunktur ein radikaler Sparkurs gleich wieder 
abwürgen würde, was sich gerade langsam entwickelt. Aber wenn rund 
ein Viertel des Etats 2010 allein mit neuen Schulden finanziert wird 
und der Etatentwurf für das kommende Jahr routinemäßig schon bis zum 
Sommer vorgelegt werden muss, dann wäre die Koalition glaubwürdiger, 
wenn sie statt schönzufärben schon mal den Weg weisen würde, der aus 
der Schuldenfalle führen soll. Dass dieses Land in derselben steckt, 
macht eine weitere Zahl aus dem Etat 2010 klar: Allein in diesem Jahr
muss der Bund 39 Milliarden Euro Zinsen für seine Schulden ausgeben; 
mehr als zehn Prozent aller Ausgaben.
Noch schweigt Deutschlands oberster Schuldenverwalter Wolfgang 
Schäuble, wie er der Zahlen wieder Herr werden will. Er belässt es 
vorerst bei der Ankündigung, in seinem zweiten Etat die 
finanzpolitischen Realitäten ernster zu nehmen als im ersten. Und 
setzt auf Zeitgewinn. Erst nach der Steuerschätzung im Mai, von der 
kein Experte grundlegend neue Erkenntnisse erwartet, will er seine 
Grausamkeiten verkünden. Also nach der kleinen Bundestagswahl in 
Nordrhein-Westfalen. Noch so eine Täuschung der Bürger. Dann gibt es 
keine Ausflüchte mehr, dann muss Butter bei die Fische: Beginnend mit
dem Etat 2011 muss der Finanzminister erklären, wie er die 
Schuldenbremse einhalten (jährlicher Einsparzwang zehn Milliarden 
Euro), sich an die Vorgabe der Maastrichter Verschuldungskriterien 
halten, die versprochenen Steuersenkungen einlösen und die 
Kopfpauschale der FDP subventionieren will.
Nach all den Zerwürfnissen über schon weit geringere Fragen droht der
mit so großen Erwartungen gerade ins Amt gewählten Regierung 
Merkel/Westerwelle im Juni/Juli die Zerreißprobe. Möglich, dass diese
Koalition nur noch ein heilsamer Schock retten kann. Ausgelöst von 
den Wählern an Rhein und Ruhr.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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