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Berliner Morgenpost: Kampf gegen den Filz-Verdacht - Kommentar

Berlin (ots)

Berlins SPD leidet mal wieder an sich selbst. Wie
schon in der Debatte um den Parteiausschluss des Ex-Finanzsenators 
Thilo Sarrazin geht es um die Frage, was ein Sozialdemokrat, ein 
Mandatsträger zumal, tun und lassen darf. Während der 
Bundesbank-Vorstand Sarrazin wegen seiner von Parteilinken als 
rassistisch empfundenen Gesinnung rausfliegen soll, geht es beim 
Pankower Abgeordneten Ralf Hillenberg wohl um Taten. Der 
Volksvertreter soll seine politischen Beziehungen genutzt haben, um 
für sein Ingenieurbüro ohne hinderliche Ausschreibung Aufträge der 
landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Howoge zu bekommen. Politiker, 
die sich aus dem öffentlichen Immobiliensektor von Parteifreunden 
Geschäfte zuschanzen lassen: Da schrillt bei jedem Berliner die 
Alarmglocke. Erinnerungen an den Bankenskandal oder die West-Berliner
Korruptionsaffären werden wach.
Das allein war für Klaus Wowereit und seinen Fraktionschef Michael 
Müller Grund genug, um gegen Hillenberg vorzugehen. 18 Monate vor der
Wahl kann die angeschlagene SPD keinen Filz-Verdacht gebrauchen. Im 
Falle der Howoge-Chefs hat der Senat bereits durchgegriffen und sie 
beurlaubt. Mit dem freien Abgeordneten taten sich Wowereit und Müller
schwerer. Der als exzentrisch bekannte Träger bunter Anzüge 
verweigerte lange die Einsicht. Er habe ja billigere Preise genommen 
als die Konkurrenz, es sei also für das Land kein Schaden entstanden,
rechtfertigte er sich. Gestern verließ er nach massivem Druck die 
Fraktion.
Dass er mit seinem Geschäftsgebaren Tarife und Gebührenordnungen 
unterlaufen hat, mag er nicht als Problem erkennen. Dabei verteidigt 
seine SPD solche Regeln stets als Bollwerke gegen unfairen 
Wettbewerb, gegen Lohn- und Sozialdumping. Für Hillenberg war es wie 
für viele ostdeutsche Betriebe jedoch offenbar die Möglichkeit, um 
Geschäft zu akquirieren.
Nach Sarrazin, der mangelnde Produktivität vieler Zuwanderer 
beklagte, kollidierte mit Hillenberg ein weiterer Vertreter des 
SPD-Wirtschaftsflügels mit der Parteiraison. Das ist tragisch für die
SPD. Es sind oft solche Genossen, die im Wolkenkuckucksheim 
schwebenden Sozial- oder Umweltpolitiker mit ökonomischen Fakten 
konfrontieren. Zuletzt tat das Bau-Profi Hillenberg in der Fraktion, 
als er mit der Legende aufräumte, energetische Sanierung für den 
Klimaschutz sei ohne höhere Wohnkosten zu haben. An solchen 
Abgleichen mit der wirtschaftlichen Realität fehlt es oft bei der 
SPD.
Der Fall Hillenberg offenbart aber mehr als die schlampige 
Vergabepraxis öffentlicher Unternehmen, mangelnde Kontrolle des 
Senats oder das ungebührliche Ausnutzen guter Beziehungen durch einen
Hinterbänkler: Die gerne als Allheilmittel gegen solche Affären 
erhobene Forderung nach völliger Transparenz macht es Freiberuflern 
oder Unternehmern immer schwieriger, sich in der Politik zu 
engagieren, ohne den Vorwurf unbotmäßiger Interessenvertretung zu 
riskieren. So geht der Politik Sachkenntnis verloren, die bezahlte 
Lobbyisten nur zu gerne liefern.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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