Berliner Morgenpost: Merkels Pokerspiel nutzt auch Europa
Berlin (ots)
Wenn man durch das Internet streift und in den Online-Foren liest, wie weit viele Menschen entfernt sind vom europäischen Gedanken, dann muss jedem Kommentar zur Einigung der EU in der Griechenland-Krise dieser Satz vorangestellt werden: Wir, die Deutschen, unser Land ist mehr als alle anderen angewiesen auf ein einiges Europa, auf ein Miteinander dieses Kontinents. Es ist in unserem Interesse, dass die EU nicht auseinanderdividieren lässt, noch nicht einmal durch Trickser in den eigenen Reihen, die nur auf sich selbst gucken und nicht auf die Nachbarn. Wir brauchen Europa, um die globalen Herausforderungen der Zukunft zu bestehen. So. Dies vorausgesetzt, kann man recht ausdauernd darüber debattieren, ob Angela Merkels Griechen-Poker, ob ihre Härte gegenüber den zu einer schnelleren, vermutlich auch teureren Einigung auf ein Hilfspaket für Hellas klug war und weitsichtig. Oder nur wahltaktisch vorteilhaft für die Kanzlerin mit Blick auf die bevorstehende und für das Wohl und Wehe der schwarz-gelben Koalition auch im Bund erhebliche Wahl in Nordrhein-Westfalen. Vermutlich trifft beides zu, wenigstens zum Teil. Es war, wenn man sich die Geschichte der EU anschaut, hohe Zeit für eine deutsche Regierungschefin deutlich zu machen, dass unser Land nicht leichtfertig mit dem Geld seiner Steuerzahler umgehen kann - auch nicht, wenn dieser laxe Umgang der europäischen Einheit dient. Dazu ist die finanzielle Lage, gerade in unseren Kommunen, viel zu desolat und die Einstellung der Menschen, wenn nicht europafeindlich, dann doch sehr skeptisch gegenüber den Institutionen und bürokratischen Umständlichkeiten des Einigungsprozesses. Zusammengenommen ergibt das ein explosives Gemisch, dem Merkel durch ein von vielen Partnern erwünschtes schnelleres und großzügigeres, auf eine Beteiligung des IWF verzichtendes Entgegenkommen enormen Zunder gegeben hätte. Das Beharren der Kanzlerin auf strenge Konditionen für Milliardenhilfen, ihre Weigerung, das Risiko allein auf europäische Schultern zu nehmen, ist deshalb ein vielleicht auch für den NRW-Wahlkampf der Union, vor allem aber für die europäische Stabilität wichtiges Signal. Es nutzt weder Frankreich, noch Griechenland, noch einem anderen EU-Mitglied, wenn anti-europäisches Ressentiment hierzulande mehr Nahrung bekäme. Deutschland ist auf Europa angewiesen, ja - aber das gilt auch anders herum. Deshalb täten die Kanzlerin und alle anderen Staats- und Regierungschefs, Europas Politiker insgesamt, sehr gut daran, nach der Einigung von Brüssel jeden Anschein zu vermeiden, hinter den EU-Kulissen gehe es in Wahrheit zu wie Kraut und Rüben. Im Gegenteil: Gefragt ist jetzt, mehr denn je und auch wenn's schwerfällt, an einem Strang, in eine Richtung zu ziehen: Mit Blick auf die weiterhin wütenden Währungsspekulationen, mit Blick auf die Stabilität der Euro-Zone und mit Blick auf die Menschen in Europa, die ein Recht darauf haben, dass ihre gewählten Vertreter sorgsam umgehen mit ihrem Kontinent.
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