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Berliner Morgenpost: Vorzeigeprojekt aus Neukölln - Leitartikel

Berlin (ots)

Wer hätte das gedacht? Keine zwei Jahre nachdem die
wackere Jugendrichterin Kirsten Heisig auszog, die Verfolgung 
jugendlicher Straftäter direkt vor Ort anzugehen, wird das Modell auf
die ganze Stadt ausgeweitet. Keine Frage, das ist eine 
Erfolgsgeschichte. Genervt von der abstrakten, trägen 
Justizmaschinerie in Moabit, hatte Heisig das Neuköllner Modell 
entwickelt. Strafen müssen möglichst schnell erfolgen, die 
Aktivitäten der beteiligten Polizisten, Jugendhilfemitarbeiter und 
der Staatsanwälte sollten in Absprache gemeinsam und nicht parallel 
zueinander geschehen. Alles das fand im Elfenbeinturm Moabit nicht 
statt. Prozesse wurden Monate nach der Tat geführt, als die 
jugendlichen Straftäter längst einen Entwicklungssprung hinter sich 
hatten, entweder weil sie mehrfach erneut Straftaten begangen oder 
weil sie die kriminelle Phase in ihrem Leben längst hinter sich 
gelassen hatten. In beiden Fällen hatten sie die Straftat, für die 
sie sich vor Gericht verantworten sollten, längst aus der Erinnerung 
verloren.
Argwöhnisch von den Behördenleitern bei Justiz und Polizei beäugt, 
machte sich Heisig direkt in einen Brennpunkt auf, um das zu ändern: 
Neukölln. Der Bezirk mit der schlechten Sozialstruktur, der hohen 
Perspektivlosigkeit und der grassierenden Klein- und 
Jugendkriminalität gilt mittlerweile bundesweit als Vorzeigekiez für 
alles das, was in einem Gemeinwesen so schiefgehen kann. Hier schlug 
Heisig ihre Zelte auf und begann mit der Arbeit unmittelbar über der 
Graswurzel.
Mit Erfolg. Das Modell fand zunehmend Unterstützer und Unterstützung.
Im vergangenen Jahr wurde es ausgeweitet, zusammen mit der Kartei für
jugendliche und heranwachsende Intensivtäter gilt der Berliner Ansatz
mittlerweile über die Grenzen der Stadt hinaus als vorbildlich.
Einen Baustein dafür liefert das Neuköllner Modell. Serientäter, die 
100 oder mehr Strafverfahren vor sich herschieben und ganze 
Straßenzüge terrorisieren, gibt es nicht mehr. Die Ausweitung des 
Modells auf ganz Berlin geschieht also folgerichtig. Dass jetzt 
Justizsenatorin Gisela von der Aue, Polizeipräsident Dieter Glietsch 
und der Generalstaatsanwalt Ralf Roter gemeinsam das Neuköllner 
Modell für ganz Berlin ausgerufen haben, ist ein Ritterschlag für die
streitbare Jugendrichterin Heisig.
Und wie geht es weiter in Neukölln? Die Strafverfolgung ist nur ein 
Hebel, die soziale Misere im Bezirk zu lindern. So lobenswert das 
Engagement bei der Jugendkriminalität auch ist, die Justiz greift 
immer erst dann ein, wenn es zu spät und die Straftat begangen ist. 
Gerade bei den Herausforderungen in der Bildung und der Integration 
darf man sich nicht auf die Justiz allein verlassen. Im Gegenteil: 
Bildungs- und Integrationspolitiker sollten dem Beispiel Heisigs 
folgen und sich der Probleme direkt vor Ort, praxisnah und mit den 
Betroffenen zusammen annehmen, um den Neuköllnerinnen und Neuköllnern
das Stigma zu nehmen, in einem Verliererbezirk zu leben. Dann wäre 
ein weiterer Schritt getan.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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