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Berliner Morgenpost: Große Versprechen, große Enttäuschung

Berlin (ots)

Eine der schlimmsten Plagen der Menschheit ist die
Erwartung. Ob Weihnachtsgeschenk oder Aktienkurs, ob Hochzeit oder 
Hertha - nichts trifft uns mehr als enttäuschte Erwartungen. Der 
Dalai Lama rät: Einfach auf die Erwartungen verzichten. Gut gemeint, 
aber für den Alltag eher untauglich. Denn wer nichts erwartet, der 
handelt auch nicht - Erwartungen treiben den Menschen immer wieder 
aufs Neue an. Marketingexperten versuchen sich seit jeher in der 
Kunst des Erwartungsmanagements. Es gilt, auf dem schmalen Grat 
zwischen Motivation und Enttäuschung zu balancieren. Barack Obama 
kennt das Problem allzu gut, und Jogi Löw wird es spätestens in der 
Causa Kuranyi kennenlernen.
Um menschliches Handeln zu erklären, verwenden Verhaltensökonomen das
Erwartung-mal-Wert-Modell. Als Beispiel mag der vergangene September 
dienen: Fast 15 Prozent der Wählenden machten das Kreuz bei der FDP -
hohe Erwartungen multipliziert mit spürbaren Steuersenkungen 
bescherten den Liberalen ein phänomenales Resultat bei der 
Bundestagswahl. Bei manchen Wählern siegte die Aussicht auf mehr 
Bares offenbar über solide Werte wie Erfahrung oder Überzeugung.
Seit gestern ist endgültig klar, dass das Erwartungsmanagement der 
Westerwelle-Partei versagt hat. So ziemlich nichts von dem, was die 
FDP im Wahlkampf versprochen hatte, wird eingelöst. Kein Wunder: 
Angesichts von 80 Milliarden Euro neuer Schulden und allenthalben 
klammen Kassen sind keine Spielräume für spürbare Steuersenkungen da.
Zu diesem Ergebnis hätte man schon im September 2009 kommen können, 
durch schlichtes Rechnen. Die Kosten der Finanzkrise sind 
abzustottern, was mit dem Verzicht auf Einnahmen schwerfallen dürfte.
An das Märchen von der sich selbst finanzierenden Reform glauben 
inzwischen nicht mal mehr die Liberalen selbst.
So blieb der kleinen Partei mit den großen Versprechen gestern nichts
anderes übrig, als Bonsai-Pläne zu Urwaldriesen umzudeuten. Was die 
Finanzexperten der FDP als großen Wurf vorgelegt haben, entlockt dem 
Koalitionspartner CDU ein triumphierendes Grienen. Endlich sind die 
liberalen Dampfplauderer in der Realität angekommen und reduzieren 
ihre Reform auf selbstverständliche Kleinigkeiten - ob ein neues 
Steuermodell nun drei oder fünf Stufen hat, darf man getrost als 
Detail abbuchen. Und dass die kalte Progression weg muss, hatten die 
Kanzlerin und ihr Herausforderer Steinmeier bereits im Wahlkampf 
gefordert. Zugleich werden die bereits erfolgten Entlastungen dieses 
Jahres in die zugesagten 16 Milliarden Euro eingerechnet, also auch 
der umstrittene Hoteliersbonus.
Die FDP hat das Kunststück fertiggebracht, alle Wählergruppen 
gleichzeitig zu verprellen. Die Besserverdienenden, weil sie gar 
nicht berücksichtigt werden. Die Zufallswähler, weil deren 
Erwartungen enttäuscht wurden. Und die Kleinverdiener, weil sie von 
den Erleichterungen kaum etwas spüren dürften. Immerhin hat die FDP 
den wichtigsten Grundsatz des Erwartungsmanagements bewiesen: Nicht 
Labern muss sich lohnen - sondern Leistung.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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