All Stories
Follow
Subscribe to BERLINER MORGENPOST

BERLINER MORGENPOST

BERLINER MORGENPOST: Wirtschaftsspionage ist noch immer ein Tabu - Leitartikel

Berlin (ots)

Sie scheuen keine Anstrengung, den Anschluss an westliche Spitzentechnologie zu finden - allen voran Russen und Chinesen. Leider oft mit illegalen Mitteln. Statt selbst mit hohem geistigen und finanziellen Aufwand zu forschen und zu entwickeln, setzen manche Wirtschaftslenker auf Spionage, auf Datenklau und Blaupausen-Beschaffung. Dabei haben sie vor allem deutsche Unternehmen und Labore im Visier. Es wird höchste Zeit für entschlossene Abwehrmaßnahmen. Denn verliert die deutsche Industrie ihren technologischen Vorsprung, hätte das für den Export und damit für die wirtschaftliche und gesellschaftspolitische Entwicklung im Lande dramatische Folgen. Die Wirtschaftskrise im Gefolge des globalen Finanzdesasters wäre eine Kleinigkeit dagegen. Wenn Bundesinnenminister Thomas de Maiziere bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts neben dem kaum veränderten Risiko durch den islamistischen Terror und die gesteigerte Gewaltbereitschaft von Linksaußen erstmals die Gefahren durch Wirtschaftsspionage herausstellt, ist das einer höchst bedenklichen Ignoranz geschuldet. Obwohl die Wirtschaftsspionage boomt, schützen sich zu viele Firmen nicht oder hüllen sich in Schweigen. Die einen unterschätzen Energie und Einfallsreichtum der Spione, die nach Ende des Kalten Kriegs auf die Ausspähung von Hightech umgeschult haben. Die anderen fürchten um weiterhin erfolgreiche Geschäfte, wenn sie Behörden zur Abwehr staatlicher Bespitzelung einbeziehen. China etwa ist für viele Exporteure zum existenziellen Markt geworden. Deshalb schweigen sie oft lieber, als es sich mit der Pekinger Staatsmacht zu verderben. Hinzu kommt, dass viele Unternehmer den Ermittlern nicht noch zusätzliche Einblicke in ihre Bücher erlauben wollen. Nicht aus Unwissen, sondern ganz offenkundig außenpolitischer Rücksichtnahme wegen verschweigt der Verfassungsbericht die Geheimdienste, die besonders intensiv in deutschen Unternehmen schnüffeln. Das sind neben denen der Russen und Chinesen vor allem auch die unserer verbündeten Amerikaner. Der Bericht hätte an Glaubwürdigkeit gewonnen, wenn nicht verschwiegen würde, was ohnehin bekannt ist. Durch die massive Wirtschaftsspionage schmilzt der Technologie-Vorsprung, Deutschlands wichtigste Wirtschaftsressource, dahin. Weil sich unser Land das nicht mehr allzu lange leisten kann, ist der einem Appell zur Kooperation gleichende Vorstoß der Verfassungsschützer überfällig. Er sensibilisiert die Ahnungslosen. Bei den schon Wissenden soll er die Einsicht zur Zusammenarbeit bestärken. Nur wenn Informationen aus der Wirtschaft fließen, können die Sicherheitsbehörden zur Gegenwehr schreiten. Auch die Politik darf nicht länger schweigen. Man hat bislang von keinem deutschen Regierungsvertreter gehört, dass er sich in Moskau, Peking oder Washington über deren staatlich organisierten Diebstahl beschwert hätte.

Pressekontakt:

BERLINER MORGENPOST
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

Original content of: BERLINER MORGENPOST, transmitted by news aktuell

More stories: BERLINER MORGENPOST
More stories: BERLINER MORGENPOST
  • 18.06.2010 – 19:14

    BERLINER MORGENPOST: Es gibt gute Gründe, an die Nationalelf zu glauben - Leitartikel

    Berlin (ots) - Eine der berühmten wie viel zitierten Weisheiten des großen Fußball-Trainers Sepp Herberger lautete: "Die Leute gehen zum Fußball, weil sie nicht wissen, wie es ausgeht." Gestern glaubten die Leute zu wissen, wie das Spiel ausgehen würde. Deutschland schlägt Serbien, alles andere schien nach dem 4:0-Auftaktzauber über Australien jenseits der ...

  • 16.06.2010 – 20:45

    BERLINER MORGENPOST: Kommentar zu Obamas angekündigter Energiewende

    Berlin (ots) - Mit seiner Fernsehansprache zum Öl-Desaster im mexikanischen Golf hat Barack Obama nicht nur versucht, aus der Defensive zu kommen. Der amerikanische Präsident hofft auch, dass die Umweltkatastrophe zu einer Art zweitem Sputnik-Schock für die USA werden könnte. Als es den Sowjets 1957 gelungen war, den ersten Satelliten ins All zu schießen, war das damals ein böses Erwachen für die Amerikaner, die ...

  • 15.06.2010 – 20:22

    BERLINER MORGENPOST: Kommentar zum Berliner Verfassungsschutzbericht

    Berlin (ots) - Die Berliner lassen sich nicht bange machen. Sämtliche Umfragen belegen, dass Sorgen um die Sicherheit in der Stadt die Menschen deutlich weniger drücken als etwa die Angst vor Armut im Alter, um die Bildung ihrer Kinder oder die Skepsis angesichts einer unsicheren wirtschaftlichen Zukunft. Diese für eine weltoffene Metropole notwendige Grundeinstellung, die eine Stadtgesellschaft vor hysterischen ...