BERLINER MORGENPOST: Kommentar zum Elterngeld-Vorstoß der FDP
Berlin (ots)
Lieben auch Sie die neuen Väter? Herzerwärmend sehen sie aus, wenn sie tagsüber Kinderwagen durch Berlin schieben. Männer, die gestern noch ins Büro gingen und heute Windeln wechseln. Sie lächeln und bespaßen ihr Baby - dank Elterngeld. Eine "aktivere Vaterschaft" werde damit befördert, erklärt das Bundesfamilienministerium. Willkommen in der heilen Welt Deutschland. Papa und Mama - sie teilen sich ganz gerecht die Kinderziehung. Das ist natürlich Blödsinn. Denn geteilt wird die Erziehung weiterhin nicht. Über 70 Prozent der Väter, die aus festen, gut bezahlten Jobs kommen, gönnen sich lediglich zwei Monate bezahlte Elternpause - oder nennen wir es gleich beim Namen: Urlaub. Wann? Viele gleich nach Geburt des Kindes. Warum? Weil dann die Frau auch garantiert daheim ist - für sie gilt in den ersten acht Wochen der Mutterschutz. Von wegen geteilte Erziehung: Beide Eltern sind zu Hause und gönnen sich nette acht Wochen. Danach geht er wieder arbeiten, und sie bleibt zurück mit dem Kind - die klassische Rollenteilung. Den ganzen Spaß lassen wir uns allein in diesem Jahr 4,48 Milliarden Euro kosten. Sagenhafte zwei Drittel des Etats des Familienministeriums. Zuviel Geld in Krisenzeiten - das finden alle. Also muss gespart werden. Die Hartz-IV-Empfänger werden bald kein Elterngeld mehr erhalten. Und nun fordert die FDP, dass auch alle anderen Nicht-Berufstätigen vom 300-Euro-Sockelbetrag ausgeschlossen werden. Ach ja, gedeckelt werden soll es, geht es nach den Liberalen, auch - auf höchstens 1500 Euro im Monat. Nur vom Abschaffen redet keiner. Das Elterngeld gilt schließlich als Erfolg der CDU. Es hat Ministerin Ursula von der Leyen populär gemacht. Viel Populäres hat die Regierungspartei ja sonst nicht vorzuweisen. Und doch: Abschaffen wäre richtig. Elterngeld - das ist ein Luxus, den man sich leisten kann, wenn die Wirtschaft gut läuft. Dann kann man den Männern den Kurztrip ins Familienleben finanzieren. Weil der Staat hofft, damit die Mentalität seiner Bürger zu ändern (was, nebenbei gesagt, nicht seine Aufgabe ist): Papa soll erkennen, wie toll Kinder sind. Und danach? Arbeitet er so viel wie zuvor, verschwindet bis spätabends und am Wochenende im Büro. Dort hat er hübsche Familienfotos aufgestellt: Er und sie und das Baby - ein Feriengruß aus der Elternzeit. Und zu seinen Kollegen sagt er stolz: Stellt Euch vor, ich habe Windeln gewechselt. Acht Wochen lang! Währenddessen melden Kommunen Konkurs an. In Turnhallen regnet es rein. Überall fehlen Lehrer, Erzieher, Kindergärtner. Die Bundeswehr kämpft mit altertümlicher Ausstattung, der Autofahrer mit tiefen Schlaglöchern. An allen Ecken und Ende fehlt das Geld. Deutschland ist ein hoch verschuldetes Land. Ein vom Staat üppig finanzierter Familienurlaub ist auf absehbare Zeit einfach nicht drin. Je schneller wir diesen teuren Unsinn beenden, desto besser.
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