All Stories
Follow
Subscribe to BERLINER MORGENPOST

BERLINER MORGENPOST

BERLINER MORGENPOST: Kommentar zu Präsidentenwahl in Polen

Berlin (ots)

Eine rundum gute Wahl. Für Polen - aber auch für Deutschland; und damit für die deutsch-polnischen Beziehungen. Die haben sich in den vergangenen zwanzig Jahren zwar so gut entwickelt, dass heute nur noch jeder siebente Pole Angst vor dem mächtigen Nachbarn im Westen empfindet. Dennoch ist die gute Nachbarschaft nicht so stabil, als dass sie temporäre Belastungen schadlos übersteht. Dass der künftige Staatspräsident Bronislaw Komorowski heißt, bedeutet aus deutscher Sicht eine große Erleichterung. Anders als sein Kontrahent Jaroslaw Kaczynski hat er sich als pragmatischer wie liberaler Politiker bewährt. Für die größte Errungenschaft der Gewerkschaftsbewegung Solidarnosc, deren Mitbegründer er war, hält Komorowski die Aussöhnung zwischen Polen und Deutschen. Das lässt auf ungestört gute deutsch-polnische Zeiten hoffen. Sie sind überfällig. Erst war es die vom früheren Kanzler Gerhard Schröder forcierte Ostsee-Pipeline mit Russland unter Umgehung Polens, die neues Misstrauen säte. Dann verwirrten die nationalistischen und europafeindlichen Töne aus dem Warschauer Regierungslager zwischen 2005 und 2007 während der Regentschaft der Kaczynski-Zwillinge die Geister. Und voller Emotionen, gegründet auf mehr oder weniger bewusstem Missverstehen, wurde beiderseits der deutsche Plan zur Gründung der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung ausgetragen. Chance also für einen neuen Aufbruch. Nach innen wie außen. Innenpolitisch steht der von der Verfassung mit weit mehr Macht ausgestattete polnische Präsident zusammen mit seinem Parteifreund und Ministerpräsident Donald Tusk vor der doppelten Herausforderung, ihr in zwei Lager gespaltenes Land zu versöhnen und gleichzeitig jahrelang durch Komorowskis Vorgänger Lech Kaczynski blockierte Reformgesetzte zu verabschieden. Außenpolitisch verspricht Polen wieder zum ebenso verlässlichen Partner seines westlichen Nachbarn wie der EU zu werden. Deutschland sollte zu alledem Polen - wann immer möglich - die Hand reichen. Und damit entschlossen fortsetzen, was Außenminister Guido Westerwelle demonstrativ begonnen hat, als er nach Amtseinführung zuerst Warschau besuchte. Die Deutschen insgesamt sollten die Polen endlich so ernst nehmen, wie sie es verdient haben. Haben wir schon verdrängt, dass deren Mut den Garaus des Kommunismus und damit auch die deutsche Einheit vorbereitet hat? Dass ab August im Berliner Auswärtigen Amt ein bisher hoher polnischer Diplomat und im Warschauer Außenministerium ein deutscher Kollege als "politische Dolmetscher" arbeiten werden, ist eine der besten Nachrichten zur Lage der deutsch-polnischen Beziehungen. Erstaunlich nur, dass dieses Signal gegenseitigen Vertrauens öffentlich kaum wahrgenommen wird. Es passt zu den Hoffnungen, die sich mit dem künftigen polnischen Präsidenten verbinden.

Pressekontakt:

BERLINER MORGENPOST
CvD Matthias Heine
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

Original content of: BERLINER MORGENPOST, transmitted by news aktuell

More stories: BERLINER MORGENPOST
More stories: BERLINER MORGENPOST
  • 04.07.2010 – 20:24

    BERLINER MORGENPOST: Kommentar zur Gesundheitspolitik der Regierung

    Berlin (ots) - So dürfte sich kaum ein Wähler schwarz-gelbe Gesundheitspolitik vorgestellt haben. Wenn nicht noch ein Wunder geschieht, wird die Regierungskoalition in dieser Woche eine Reform festklopfen, die in keiner Weise Gestaltungswillen und Zukunftstauglichkeit erkennen lässt. Die im Koalitionsvertrag versprochene Entkoppelung der Kassenbeiträge von den Lohnnebenkosten? Kein Thema mehr. Mehr netto vom Brutto? ...

  • 03.07.2010 – 20:27

    BERLINER MORGENPOST: Mit Teamgeist in Richtung Titel - Leitartikel

    Berlin (ots) - Mutig und stark haben die deutschen Fußballer an die Tür zum Himmel geklopft. Und auch wenn er schon einmal die Hand Gottes spielen durfte, diesmal war es nicht Diego Maradona, der ihnen öffnete. Tritt ein, deutsche Jubel-Nation, willkommen im Halbfinale der Fußball-Weltmeisterschaft. Das Happy End dieses Sommermärchens rückt immer näher. Unter Jürgen Klinsmann entdeckten wir vor vier Jahren das ...

  • 02.07.2010 – 21:56

    BERLINER MORGENPOST: Leitartikel zur Antrittsrede des Bundespräsidenten

    Berlin (ots) - Er liest vor: kein Pathos, kein Timbre, keine Begeisterungsflammen. Dabei macht er eigentlich auch alles richtig: Er dankt seinen Gegnern, er dankt seinem Vorgänger, er dankt dessen Gattin. Alles sehr korrekt. Abgesehen vom Holperstart in den Amtseid - na ja, menschlich eben. Und so könnte man mit etwas gutem Willen feststellen: Es geht eine gewisse ...