BERLINER MORGENPOST: Kommentar zu Putins Versagen bei den Waldbränden
Berlin (ots)
Die verheerenden Waldbrände in Russland, die ihresgleichen in der Geschichte des Landes suchen und die einzudämmen, geschweige denn zu löschen die geballte Maschinerie des russischen Staates bisher nicht in der Lage ist, bringen die ansonsten sehr langmütige russische Seele ins Brodeln. Selbst der teflonartige Premier Wladimir Putin musste sich Pfiffe und kreischende Vorwürfe gefallen lassen, als er ein abgebranntes Dorf in der Provinz besuchte. Das Staatsfernsehen blendete zügig aus. Die Menschen werden zunehmend wütender. Auch wenn Premier Putin wie ein Irrwisch durchs Land wirbelt, hier Geld zusagt, dort neue Häuser und dazu die allgegenwärtige Kontrolle: Kameras würden das Baugeschehen überwachen, auch die Büros der Staatsbediensteten, auf dass sie sich fürderhin nicht erdreisteten, ins Wochenende zu gehen, wenn Wälder und Dörfer brennen. Derweil sitzt Präsident Dmitri Medwedjew im Kreml, staucht Untergebene zusammen oder feuert sie. Die vom damaligen Präsidenten Putin kreierte "Vertikale der Macht", die zentralisierte Lenkung des Staates, wird vom staatlichen Fernsehen kräftig ins Bild gesetzt. Dass sie etwas bewirkt, daran glauben in diesen Tagen immer weniger Russen. Doch alle Schuld auf "die da oben" zu schieben" ist in dieser Situation zwar wohlfeil, nichtsdestoweniger aber zumindest teilweise ungerecht. Niemand, auch der sich allgewaltig gebende Putin mit seinem Präsidenten Medwedjew im Gefolge, kann etwas für eine derartige Dürreperiode, die einmalig ist seit dem Beginn der meteorologischen Aufzeichnungen in Russland. Auch andere Länder haben dergleichen Naturkatastrophen erlitten. Auch muss sich der einfache Iwan Iwanowitsch sagen lassen, dass er selbst durch seinen bodenlosen Leichtsinn zur Verschlimmerung beiträgt. Da wird trotz Waldbrandwarnung kräftig gegrillt im Revier, Kippen werden achtlos weggeschnippt, leer getrunkene Flaschen ins Unterholz geschleudert. Und wenn der Rote Hahn beim Nachbarn schon längst auf dem Dach sitzt, ist das für manchen noch immer kein Grund, helfend zuzupacken. Geht etwas schief, ertönt der Ruf nach der Staatsmacht. Aber wer, in Moskau sitzend, alle Entscheidungsgewalt an sich reißt, wer örtlichen Verwaltungen die Befugnisse nimmt und sich im Nimbus des Allgewaltigen sonnt, wird natürlich auch für alle die Dinge verantwortlich gemacht, die aus dem Ruder laufen. Auf den mittleren und unteren Leitungsebenen herrschen Angst und Feigheit vor der Entscheidung. Gleichzeitig laufen die an der Spitze ergangenen Anweisungen ins Leere. Nach den schlimmen Torfbränden im Sommer 2001 sollten die zu sowjetischer Zeit trockengelegten Torffelder geflutet werden. Fünf Milliarden Rubel jährlich wurden dafür ausgegeben. Das Ergebnis: Als jetzt die Feuer aufflammten, war der Torf trocken wie Zunder. Putins Machtvertikale ist eine Fehlkonstruktion.
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