BERLINER MORGENPOST: Bundeswehrreform
Berlin (ots)
Ein radikaler Schritt. Aber überfällig in einer Bundeswehr, die zwar rund 250000 Soldaten und Soldatinnen zählt, aber schon an ihre personelle Grenze stößt, wenn nur rund 7000 von dieser Viertelmillion zu Auslandseinsätzen kommandiert werden. Überfällig in einer Truppe, in der noch weitgehend Kommando- und Gliederungsstrukturen aus Zeiten des Kalten Krieges herrschen und die zudem von einem militärischen wie zivilen Wasserkopf verwaltet wird. Verteidigungsminister Guttenberg hebt zu einer Reform an Haupt und Gliedern an, die schon vor Jahren hätte angepackt werden müssen. Bei allem Mut - leider beginnt er gleich mit zwei gravierenden Fehlern. Seine Behauptung, diese Regierung mache keine Verteidigungspolitik nach Kassenlage, ist falsch. Sie schadet seiner Glaubwürdigkeit. Wenn die Bundeswehr bis 2014 auf Geheiß des Finanzministers 8,3 Milliarden Euro einsparen muss, dann ist die ohnehin chronisch unterfinanzierte Armee nicht aus höherer Einsicht, sondern aufgrund eines Diktats zu tiefen personellen wie rüstungstechnischen Einschnitten gezwungen. Der zweite Fehler liegt darin, dass vor Verabschiedung der Reform wieder keine Debatte darüber geführt wird, was eine neue Bundeswehr leisten soll und was sie darf - und damit verbunden über die Kernfrage, welche Konsequenzen es mit sich bringt, deutsche Soldaten in Kriegseinsätze zu schicken. Noch immer keine ehrliche Debatte in Politik und Gesellschaft über Sinn und Aufgabe einer neuen Bundeswehr. Der zeitliche Druck führt denn auch dazu, dass die angenommenen Folgerungen aus Guttenbergs Absichten höchst vage, wenn nicht gar aus der Luft gegriffen sind. Der Minister tut gut daran, die zur Farce gewordene Sechs-Monats-Wehrpflicht auszusetzen. Aber welche Folgen das für die künftige Rekrutierung von Zeitsoldaten einerseits, für den an die Wehrpflicht gekoppelten Zivildienst andererseits hat, das scheint höchst ungewiss, weil wenig gründlich analysiert. Denn ohne Wehrpflicht auch kein Zivildienst mehr - und damit keine preiswerten sozialen Zusatzdienstleistungen der Zivis. Wenn der Verteidigungsminister stattdessen einen "freiwilligen" Wehrdienst plant und dafür von knapp 10000 Bewerbern ausgeht, ist das eher eine aus der Not gegriffene denn eine realistische Zahl, denkt man nur an den nahenden Arbeitskräftemangel im Lande. Denn auch Guttenberg sucht Fachkräfte. Ähnliche Probleme kommen auf die Familienministerin mit dem Plan zu, bei wegfallender Wehrpflicht einen freiwilligen Zivildienst für Männer und Frauen einzuführen. Es bleibt dabei: Die guttenbergsche Reform ist im Kern richtig. Über die Konsequenzen innerhalb und außerhalb der Bundeswehr werden sich allerdings noch viele wundern.
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