BERLINER MORGENPOST: Ein schwieriger Weg, aber ein guter - Leitartikel
Berlin (ots)
Sie kann es also doch - wenn sie nur will und die Zeit drängt. Die von der schwarz-gelben Koalition erzielte Einigung zur Reform der Sicherungsverwahrung zeugt von Einsicht, gutem Willen und Bürgernähe, wie sie die Regierung Merkel/Westerwelle bisher allzu selten bewiesen hat. Dass der Kompromiss dazu noch ein brauchbarer ist, macht die Sache noch besser. Dabei hatten die Innen- und Rechtspolitiker von Union und Liberalen gleich zwei Probleme zu lösen, die in den vergangenen Tagen die Bürger aufgeschreckt haben. Ganz aktuell gilt es, sie vor Schwerverbrechern zu schützen, die nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus der nachträglichen Sicherungsverwahrung zu entlassen sind, weil diese in ihren Fällen rechtswidrig ist. Die "kriminellen Zeitbomben" vor ihrer Entlassung noch einmal psychologisch begutachten zu lassen und gegebenenfalls per Gerichtsbeschluss eine therapeutische Betreuung anzuordnen, ist eine überzeugende Antwort auf die Auflagen der Europäischen Richter. Zumal gleich ein anderer von ihnen angeprangerter Zustand beendet wird: Die therapeutische Nachsorge wird unter keinen haftähnlichen Bedingungen erfolgen. Jetzt ist - soll der ausgehandelte Koalitionskompromiss im Alltag Bestand und Erfolg haben - höchste Eile des Gesetzgebers geboten. 60 bis 80 Altfälle nämlich stehen zur Entlassung an. Die Gerichte werden ihre Freilassung allenfalls zeitlich begrenzt hinauszögern. Wird aus der Verständigung zwischen Innenminister de Maizière (CDU) und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) nicht schnellstens ein Gesetz, werden die Schwersttäter einfach so entlassen - 16 von ihnen sind es bereits. Auch sie noch rückwirkend in den Kompromiss einzubeziehen, wie es die Koalitionäre hoffen, dürfte allerdings eine höchst beunruhigende Fehleinschätzung sein. Denn die Risiko-Täter müssten sich freiwillig zur Behandlung melden. Die Bürger vor ihnen zu schützen, bleibt deshalb vorerst an den Landespolizeien hängen. Das wird zu ebenso nachvollziehbarer Kritik führen wie die vermutliche Übernahme der Kosten für die Behandlung in den therapeutischen Anstalten durch die jeweiligen Länder. Sicherheit für die Bürger hat es allerdings noch nie zum Nulltarif gegeben. Weit weniger dringlich als die Lösung der Altfälle ist eine rechtlich einwandfreie und zugleich schutzwirksame Regelung für die künftige Sicherungsverwahrung. Auch die hierfür bereits erzielten Einigungen mit Fußfessel und Beschränkung der Sicherungsverwahrung auf schwerste Gewalttäter sind vernünftige Wegweisungen. Bleibt am Ende die Hoffnung, dass sich andere Fachpolitiker der Koalition ein Beispiel nehmen an ihren Kollegen der Innen- und Rechtspolitik.
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