All Stories
Follow
Subscribe to BERLINER MORGENPOST

BERLINER MORGENPOST

BERLINER MORGENPOST: Kommentar zu Guttenberg

Berlin (ots)

Es sind keine guten Tage für die Union. Nicht für ihre Politik, erst recht nicht für die Kanzlerin und ihren Verteidigungsminister. Sie haben eine Wagenburg errichten müssen, um ihren populärsten Mann zu verteidigen. Karl Theodor zu Guttenberg hat sich mit zwei großen Fehlern in eine - an bisherigen Maßstäben gemessen - unhaltbare Lage gebracht. Der eine Fehler, das zumindest teilweise Erschleichen eines Doktortitels, liegt schon ein paar Jahre zurück. Mit etwas gutem Willen kann man daraus eine Jugendsünde konstruieren. Geschuldet vielleicht allzu großem Ehrgeiz und der männlichen Neigung, sich selbst noch ein bisschen wichtiger machen zu wollen, als man ohnehin schon ist. Guttenberg ist da kein Einzelfall. Wobei man fast ratlos bei der Frage bleibt, wie ein intelligenter Mann auf den Gedanken kommen kann, ausgerechnet die Einleitung der eigenen Doktorarbeit abzuschreiben. Die Uni machte gestern Abend das einzig Richtige: Sie erkannte Guttenberg den Doktortitel ab. Viel entscheidender aber für die missliche Situation ist der taktische Umgang des Verteidigungsministers zu Guttenberg mit der Wahrheit. Der Freiherr, keine Frage, hat die Menschen, seine Mitarbeiter, seine Wähler, auch seine Universität tagelang getäuscht. Er hat versucht, seine Jugendsünde zunächst klein zu reden. Seine Einsicht in die Notwendigkeiten war immer genau so groß, wie es der öffentliche Druck erforderte. Ein Eiertanz von zuweilen erstaunlicher Hybris, dessen negativen Gesamteindruck auch der kämpferische Auftritt des Ministers gestern vor dem Bundestag nicht verwischen konnte. Unterm Strich hat zu Guttenberg in diesen aufgeregten Tagen seine eigenen Maßstäbe, die bis heute auf seiner persönlichen Homepage nachzulesen sind, deutlich unterlaufen. "Prinzipienfestigkeit und Grundsatztreue" werden da genannt, "Verantwortung", die "Verpflichtung, Vertrauen, Gewissen" bedeute. Vertrauen? Gewissen? Wie mögen das zum Beispiel die Mitarbeiter seines Ministerium sehen in den kommenden Wochen und Monaten - von den Menschen an den zu schließenden Standorten oder auch den Hochschulen der Bundeswehr mal ganz zu schweigen. Guttenberg wird ihnen allen unbequem werden müssen bei der Umsetzung seiner umfangreichen Reformpläne. Wird er seinen Leuten dabei in die Augen gucken können? Ist er sich sicher, dass der von ihm entlassene Generalinspekteur Schneiderhan ihn damals "wissentlich" getäuscht hat bei der Berichterstattung über die Kunduz-Affäre? Und wie wird das sein mit dem "Gorch Fock"-Kommandanten Norbert Schatz? Welchen Maßstab legt zu Guttenberg in diesen Fällen an? "Politik braucht klare Werte." Auch dieser Satz findet sich auf der Homepage des Ministers. Es sind bürgerliche Werte, für die zu Guttenberg ja tatsächlich steht wie kein zweiter. Werte, die jetzt, die Bundestagsdebatte gestern hat das gezeigt, gekapert werden von der Opposition - auch von der Linken, ausgerechnet. Ehrlichkeit, Anstand. Feste Grundsätze, die sich eben nicht biegen lassen im Hin und Her der politischen Konjunkturen. Auf sie zu verzichten, rührt am Markenkern der Union. Ihr Verlust wird auf Dauer nicht zu ersetzen sein. Auch nicht durch noch so gute Umfragewerte.

Pressekontakt:

BERLINER MORGENPOST

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

Original content of: BERLINER MORGENPOST, transmitted by news aktuell

More stories: BERLINER MORGENPOST
More stories: BERLINER MORGENPOST
  • 20.02.2011 – 20:43

    BERLINER MORGENPOST: Ein Erdrutsch an der Elbe - Leitartikel

    Berlin (ots) - Man kann ja noch nicht alles sagen an diesem Abend der ersten Wahl des Superwahljahrs 2011. Aber eins steht fest, auch wenn zuletzt alle damit gerechnet haben: Das Hamburger Ergebnis, eine dicke zweistellige Vier für die Sozialdemokraten, ein Durchmarsch zur absoluten Mehrheit womöglich, ist eine Sensation. Einen solchen Triumph hätte sich vor gut einem Jahr, nach der krachenden Niederlage bei der ...

  • 18.02.2011 – 19:04

    BERLINER MORGENPOST: Keine lässliche Sünde, sondern Recht und Gesetz - Leitartikel

    Berlin (ots) - Die Berliner Meisterprüfung im Fach Energie- und Gebäudetechnik besteht aus vier Teilen, davon einem Meisterprojekt. Das Projekt entspricht einem Kundenauftrag. Meisterkandidaten müssen ihn ohne fremde Hilfe "entwerfen, berechnen, planen und kalkulieren, die Leistung ausführen sowie ein Prüfprotokoll erstellen". Was würde man in Berlin sagen, wenn ...

  • 17.02.2011 – 20:54

    BERLINER MORGENPOST: Kommentar zu Guttenbergs Plagiats-Affäre

    Berlin (ots) - Nur mal angenommen, die Dissertation eines nachrangigen Kabinettsmitglieds, Dirk Niebel etwa oder Ilse Aigner, wiese die gleichen Mängel auf wie die Doktorarbeit von Karl-Theodor zu Guttenberg - was wäre geschehen? Vermutlich nicht viel. Eine Meldung hier und da, ein paar höhnische Bemerkungen. Und fertig. Aber der Freiherr ist nicht irgendein Minister. Er hat einen rasanten Aufstieg hingelegt wie kein ...