BERLINER MORGENPOST: Europa ist mehr als Politik Uli Exner über Deutschland, die Griechenland-Krise und den Segen der europäischen Einheit
Berlin (ots)
Man muss wieder mal "Stopp!" rufen und "Protest!" - in diesen nervösen Tagen, in denen unsere wichtigsten Politiker ihr wichtigstes Projekt, die einen volens, die anderen nolens zur Disposition stellen. Was für eine Hybris. Welch ein Irrtum. Europa ist nicht Brüssel, Europa ist nicht "die Politik", schon gar kein Gipfel. Europa ist auch nicht der Euro. Europa sind die Menschen, die hier leben. Die einen so, die anderen so - am Ende aber einig: Freiheit. Frieden. Miteinander. Insofern ist es anmaßend und unzulässig, wenn der Eindruck erweckt wird, die europäische Einigung liege jetzt in den Händen derer, die gerade über Griechenland verhandeln. Uber den Euro. Über die europäische Finanzordnung. Das alles ist wichtig für unseren Wohlstand, für unsere Wirtschaft, für unser Arbeiten, unser Leben. Aber die europäische Einheit steht nicht auf dem Spiel, wenn man darüber verhandelt, ob Banken und Finanzjongleure beteiligt werden sollen an der Bewältigung der griechischen Krise, die natürlich auch eine europäische ist. Die aber den grundsätzlichen Zusammenhalt der Länder dieses Kontinents, die Friedfertigkeit der Menschen auch im schlechtesten Fall nicht grundlegend wird erschüttern können. Die europäische Freundschaft, das selbstverständliche, gleichberechtigte und wohlwollende Umgehen der europäischen Völker miteinander ist ein Produkt unserer Geschichte insgesamt, nicht nur eines der Diplomatie. Erst recht nicht eines der Ökonomie. Wir gehören zusammen. Und nur in dieser Zusammengehörigkeit geht es uns dauerhaft gut. Dieses europäische Fundament, diese auch unter Schmerzen gewachsene Erkenntnis, ist zu unserem großen Glück viel fester gefügt, als es viele wahrhaben wollen. Europa ist mehr als Politik und Wirtschaft. Mehr als Brüsseler Behörde. Europa ist längst Mensch. Kollektives Bewusstsein, deutliche Mehrheit im Westen, große Hoffnung immer noch im Osten. Im Zweifel ist dieses Europa, sind wir auch fähig, eine große Krise in der Substanz unbeschadet zu überstehen. Eine solche große Krise zu vermeiden allerdings, das ist die aktuelle Aufgabe der Politik. Dafür sind Merkel, Sarkozy und ihre europäischen Kollegen gewählt. Dafür müssen sie alles tun. Dafür müssen sie sich einigen und im Zweifel auch die Finanzmärkte bändigen. Darum ist der EU-Gipfel in dieser Woche auch immens wichtig. Wir brauchen Entschlossenheit, Handlungsbereitschaft, im Zweifel sogar Leidensfähigkeit der einzelnen beteiligten Länder. Kluge Gedanken, vielleicht auch Mut. Aber, was immer dort auch beschlossen wird: Um den Bestand der europäischen Einheit, des friedlichen Miteinanders, geht es in Brüssel nicht. Die wird nämlich umso wichtiger, je schwieriger die Lage ist. Nur allein steht man mit dem Rücken zur Wand. Wer etwas anderes suggeriert, wer meint, die europäische Einheit wäre im ökonomischen Zweifel disponibel, der irrt gewaltig. Der versteht die Welt nicht. Und das ist ein Segen.
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