BERLINER MORGENPOST: Der Berliner Eiertanz Christine Richter über den Beginn der rot-grünen Koalitionsverhandlungen und den Streit über die A100
Berlin (ots)
Wäre dies nicht die Hauptstadt der Deutschen, man wollte wegschauen. Aber es wird nicht besser. Nach einem dritten, eigentlich nicht geplanten Sondierungsgespräch haben die Berliner SPD und die Grünen ihren Konflikt über den Weiterbau der Stadtautobahn A100 am Dienstag immer noch nicht beigelegt. Und dies, obwohl man sich doch in den vergangenen Tagen genug öffentlich blamiert hatte, weil beide Parteien den Autobahn-Kompromiss so unterschiedlich auslegten. Die Grünen sagten, es werde mit ihnen auf keinen Fall einen Ausbau geben - die SPD wiederum beharrte darauf, dass die A100 dann gebaut werde, wenn die Bundes-Millionen nicht umgewidmet werden dürfen. Beide Seiten zeigten sich unnachgiebig, die SPD stellte den Grünen gar ein Ultimatum, sich zum Kompromiss zu bekennen. Doch nach dem rot-grünen Krisengespräch, das sich am Dienstag wieder drei Stunden lang im Roten Rathaus hinzog, ist man so schlau wie zuvor. Die A100 liegt wie Blei in den Parteiregalen und wird zum Streitthema jeden Gesprächs zwischen der Berliner SPD und den Grünen. Und ebenfalls erschreckend: Zwei Parteien, die so gerne von Transparenz und Offenheit, von Teilhabe und demokratischer Beteiligung sprechen, geben sich nach der Krisenrunde so wortkarg, dass einem schon angst und bange werden kann. Was haben die beiden Parteien denn noch zu verbergen angesichts des Durcheinanders bei der A100? Keiner wollte am Nachmittag etwas sagen, selbst Fragen waren nicht zugelassen, alle verwiesen auf die heute beginnenden Koalitionsverhandlungen. Als ob SPD und Grüne die Lektion, die ihnen die Piraten bei der Abgeordnetenhauswahl vor drei Wochen erteilt haben, immer noch nicht begreifen. Aber offenbar geht es für Sozialdemokraten und Grüne jetzt vor allem nur noch um eins - darum, wie man beim Thema A100 sein Gesicht wahren kann. Vor allem für den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) ist das ein Problem. Wowereit, der persönlich so sehr für die A100 gekämpft und sich mit fünf Stimmen Mehrheit auf einem Parteitag durchgesetzt hat, weiß, dass mindestens die Hälfte seiner Berliner SPD das Projekt - genauso wie die Grünen - beerdigen möchte. Will Wowereit jetzt die A100 mit all seiner Macht und Autorität durchsetzen, gegebenenfalls mit der Berliner CDU als Koalitionspartner, so würde ihm seine Partei kaum folgen. An einer "Stummelautobahn" dürfe Rot-Grün in Berlin nicht scheitern, sagte in der vergangenen Woche ein führender SPD-Linker - und sprach damit aus, was die Partei denkt. Und weil die Grünen das wissen, können sie öffentlich die Stadtautobahn strikt ablehnen - und trotzdem Koalitionsverhandlungen mit der SPD aufnehmen. Der Verlierer dieser Auseinandersetzung wird also Klaus Wowereit sein, aber auch Rot-Grün selbst. Denn einer Regierung, die sich schon vor dem Start des Wortbruchs und der Lüge bezichtigt, die mehr auf Misstrauen denn auf Vertrauen aufgebaut ist, wird es kaum gelingen, die wichtigen Zukunftsthemen in Berlin zu lösen. Und die liegen jenseits der A 100.
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