BERLINER MORGENPOST: Kompromisslose Freude am Experiment - Leitartikel
Berlin (ots)
Mal angenommen, Steve Jobs und Steve Wozniak hätten ihre ersten Macs unter einer Regierung deutscher Grüner gelötet - was wäre passiert? Zunächst wäre der Gender-Beauftragte anmarschiert und hätte zwei Männer in der Unternehmensführung bemängelt. Die Menschenrechtler hätten eine Praktikanten-Ampel am Garagentor angebracht, je nachdem, ob die Apple-Gründer auch lieb zum diskriminierungsfrei ausgewählten Nachwuchs sind. Tierschützer hätten wegen der lauten Musik protestiert, die den im Santa Clara Valley beheimateten Kaninchenkauz irritiert, und sich schützend über den von Pizzakartons bedeckten Fieberklee geworfen, der überall auf der Welt wuchert, nur im Silicon Valley eher selten. Kurzum: Wo Grün regiert, wird jede Minderheit geschützt, nur eine nicht: der Unternehmer. Ein Selfmademan wie Steve Jobs, dessen Tod weltweit betrauert wird wie nie bei einem Firmenlenker zuvor, hätte sich wohl umgehend eine neue Heimat gesucht, einen Ort, wo Kreativität sich entfalten darf, ohne dass Datenschützer eine Idee schon im Ansatz vernichten. Und die Gründer von Google und Ebay und Amazon und Facebook wären gleich mitgegangen. Das zentrale Signal des gescheiterten rot-grünen Koalitionsversuchs von Berlin lautet: Grün ist kompromisslos. Lieber lässt man 400 Millionen vom Tisch gehen, als ernsthaft nach einem Kompromiss zu suchen. Der Streit über drei Kilometer Autobahn steht symbolhaft für eine Haltung, die erklärt, warum das Silicon Valley eben nicht in Deutschland entstanden ist. Der grüne Mainstream, der alle Parteien durchdringt, hat Deutschland zum Angstland gemacht, wo jedwedes Risiko als lebensbedrohlich interpretiert wird. Zukunft aber braucht Wildwuchs, ein von Neo-Spießern freies Biotop, wo nicht nur nach letzten Grenzwerten gesucht, sondern auch Freude am Experiment gelebt wird. Die großen Erfindungen, ob Verbrennungsmotor, chemische Prozesse, Fotovoltaik oder eben das Apple-Imperium, waren immer auch eine Art Leistungssport, betrieben von Besessenen, die nicht Regeln wollten, sondern, im Gegenteil, die herrschenden Konventionen nicht akzeptierten. Ein Regime, das Menschen in die engen Bahnen moralisch korrekten Wohlverhaltens pfercht, ist gut fürs Gewissen, aber schlecht für einen auf Fortschritt angewiesenen Wohlstandsort. Aufgabe moderner Politik ist es natürlich, Menschen zu schützen, aber auch, Menschen die Chancen zu geben, sich und ihre Ideen zu entwickeln. Wirtschaft ist eine urwüchsige, spannende, bisweilen brutale Angelegenheit, wo es weder Welpen- noch Minderheitenschutz gibt - ein brutaler, gleichwohl zuverlässiger Weg, auf dem sich die Besten durchsetzen, so wie im Sport. Nur wo Freiheit herrscht, werden Entwicklungssprünge gemacht. Wer Spaß am Tüfteln hat, Lust am Unerwarteten, der soll machen dürfen. Wenn die Grünen eine Zukunftspartei sein wollen, sollten sie sich weg vom Grenzwert und hin zum Grenzgänger orientieren. Erst wenn vorstellbar ist, dass sich ein Steve Jobs in Berlin niedergelassen hätte oder sonst wo in Deutschland, dann stimmt der Kompass.
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