BERLINER MORGENPOST: Hertha braucht einen schnellen Neuanfang - Leitartikel
Berlin (ots)
Da gastiert Hollywood in Berlin, verzaubern Stars Metropole und Medien - und das Gesprächsthema des Tages ist doch nur der gnadenlos schlechte Film, der Hertha BSC derzeit im großen Kino der Fußball-Bundesliga zur landesweiten Lachnummer macht. 0:5 beim VfB Stuttgart - dem Fan stockt der Atem bei einer weiteren chancenlosen und uninspirierten Performance der Blau-Weißen. Und natürlich, sofort stehen Fragen im Raum: Absturz mit System? Wer trägt die Schuld daran, dass der Klub erneut auf dem Drahtseil tanzt? Ist die Hertha überhaupt noch zu retten? Natürlich ist nach 21 Spielen noch keine Mannschaft abgestiegen, herrscht im Ligakeller Gedränge. Alles Argumente, die der Fachmann mit der Vereinsbrille flehend anführt. Doch viel dringender scheint es jetzt zu sein, dass der Klub im Angesicht der Talfahrt sofort in die Phase der schonungslosen Neuordnung geht. Und das ohne diese Empfindlichkeiten, die den immer noch beliebtesten Verein der Stadt umgeben. Präsident, Manager, Trainer - Handeln ist gefragt, Konsequenzen sind nötig. Der Fisch fängt am Kopf an zu stinken - selten lügt der Volksmund. Präsident Werner Gegenbauer ist nach der Demission von Manager Dieter Hoeneß großes Risiko gegangen und hat mit Michael Preetz einen unerfahrenen Sportchef installiert, dessen Bilanz sich nach gut drei Jahren einfach bescheiden liest. In seiner ersten Saison musste er mit Trainer Lucien Favre jenen Mann entlassen, der am Traum des ewig schönen Fußballs im Olympiastadion nach einer Fast-Meisterschaft in der Vorsaison scheiterte. Mit Friedhelm Funkel als Nachfolger verpflichtete er Steinzeitfußball in Reinkultur. Und viel zu lange war der ehemalige Topstürmer Preetz dann ein Freund der Defensive, schaute tatenlos dem Abstieg mit Funkel zu. Der Aufstieg mit Markus Babbel - mehr Pflicht, denn Kür. Immerhin holte er 20 Punkte, musste aber wegen Vertrauensbruch gehen. Und nun das Skibbe-Desaster. Fünf Spiele, null Siege. So schlecht startete zuletzt kurz nach dem Mauerfall Peter Neururer - und war seinen Job schnell wieder los. Skibbe sollte seine Mission beenden und Sportsmann sein, den Vertrag von sich aus kündigen und der Hertha damit die Chance geben, den nächsten Rettungsanker zu werfen. In keinem Fall darf der Verein wie in der letzten Abstiegssaison sich untätig von aktuellen Ereignissen treiben lassen. Das ist Gegenbauer auch längst bewusst: Er hat einen Manager, der partout kein glückliches Händchen bei der Trainerwahl hat. Und er hat einen Verein zu führen, für den viel auf dem Spiel steht. Denn Abstieg würde bedeuten, dass die Präsidiumswahlen im Mai zum Tribunal geraten, welches Gegenbauer und Preetz kaum überleben werden. Es bedeutet aber auch, Sponsoren würden abspringen. Hertha würde, wenn auch nicht ins Bodenlose, so aber doch sehr tief fallen. Ein Abstieg 2012 würde nicht noch einmal zum - auch emotional - federweichen Turnaround und allseits gelebten Neubeginn. Kickende Stars wie Raffael und Lasogga, wie Lell und Kraft wären nicht zu halten. Zuschauer liefen scharenweise davon. Hertha wäre inmitten des ewig spannenden Berlin auf einen Schlag zurück in der Bedeutungslosigkeit der frühen 90er-Jahre. Ein düsteres Szenario.
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