BERLINER MORGENPOST: Prohibition in Zügen ist keine Lösung
Leitartikel von Nikolaus Doll
Berlin (ots)
Stellen Sie sich vor, Sie sind auf dem Heimweg, von einem Spiel der Hertha, vom Baumblütenfest in Werder oder einfach nach einem harten Arbeitstag. Nun wollen Sie sich auf der Fahrt nach Hause ein Bier gönnen, und darum nehmen Sie die S- oder Regionalbahn. Eigentlich eine gute, eine vernünftige Idee - allerdings nicht in den Augen derer, die derzeit generelles Alkoholverbot im öffentlichen Nahverkehr fordern. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) gehört dazu oder der Chef des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg (VBB), Hans-Werner Franz. Sie wollen jede Form des Alkoholgenusses in Bussen und Bahnen auf den Index setzen. Die Argumente, die VBB und Gewerkschaft dafür vorbringen, klingen zunächst gar nicht so verkehrt. Niemand mag verschmutzte und demolierte Züge. Niemand kann es hinnehmen wollen, dass betrunkene Fahrgäste unbeteiligte Passagiere, das Bahnpersonal oder sogar Polizeibeamte beschimpfen, attackieren oder verletzen. Aber jeglichen Alkoholkonsum zu untersagen, löst die Probleme in den Bahnen und auf den Bahnhöfen nicht, ein weiteres Verbot lenkt nur ab von jenen Maßnahmen, die wirklich nötig wären. Vom Aufwand, die neue Prohibition durchzusetzen, erst gar nicht zu reden. Ohne Frage sind die Zustände im öffentlichen Nahverkehr oft genug untragbar. Wer gerade an den Wochenenden nachts mit der Berliner S- oder U-Bahn fährt, muss - bei aller Liebe zu diesem großartigen Verkehrsmittel - zu den ganz Hartgesottenen gehören. Nicht jeder hat Spaß daran, wenn Waggons zu rollenden Kneipen und Discos mutieren, mit all den unangenehmen Nebenerscheinungen für jene, die nüchtern sind. Da liegt die Versuchung nahe, dem trinkenden Partyvolk den Alkohol zu verbieten. Der Punkt ist nur: Die meisten dieser Fahrgäste kommen schon stark angetrunken in die Züge. Die Deutsche Bahn liegt also gar nicht so falsch, wenn sie sich gegen ein neues, generelles Alkoholverbot in ihren Zügen wehrt. Schließlich hat sie schon jetzt, wie nahezu alle Verkehrsverbünde, das Recht, auf ihre Beförderungsbestimmungen zu verweisen und jeden, der sich nicht daran hält, von der "Weiterfahrt auszuschließen", wie es im Behördendeutsch heißt. Wirft man einen Blick in diese Vorschriften, ist beispielsweise im Bereich des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg (VBB) sogar der Genuss eines Käsebrötchens verboten - theoretisch. Wer die Züge in der Region nutzt, weiß, dass das keinen kümmert. Neue Gesetze sind also nicht immer die Lösung, häufig reicht es, auf Einhaltung der vorhandenen Regeln zu bestehen - konsequent. Stellt sich die Frage, warum beispielsweise der Verkehrsverbund auf neue Regelungen dringt. Die Antwort ist einfach: Gibt es ein Antialkoholgesetz, kann man im Fall eines Verstoßes die Polizei holen. Bislang müssten die Zugbegleiter eingreifen, wozu diese wenig Lust haben. Nur: Ist es wirklich realistisch, dass die ohnehin chronisch überforderte Polizei die Kraft hat, auszurücken, um einen Fahrgast aus dem Zug zu holen? Eher nicht. Die Idee eines generellen Alkoholverbotes zeigt Widersprüche in der Theorie, in der Praxis ist sie gänzlich untauglich.
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