BERLINER MORGENPOST: Berliner Informations-Chaos
Leitartikel von Gilbert Schomaker
Berlin (ots)
Die Meldungen sind alarmierend: Tausende Kinder in Berlin und in weiteren ostdeutschen Bundesländern sind an einem Magen-Darm-Infekt erkrankt. Die Ursache ich noch unklar. Möglicherweise war das Schulessen einer Cateringfirma verseucht. Vielleicht aber auch nicht. Der Virus greift aber offenbar weiter um sich. Nun melden sich auch Familienangehörige mit den Symptomen bei Ärzten und Gesundheitsbehörden. Vieles in dem neuen Fall erinnert an die Ehec-Epidemie vor einem Jahr. Bisher kam es bei dem neuen Erreger glücklicherweise nur in ganz wenigen Fällen zu einem so gefährlichen Krankheitsverlauf, dass die Kinder ins Krankenhaus mussten. Aber auch bei dieser Epidemie wird einmal mehr offensichtlich, dass die Behörden und Schulen auf solche Ereignisse nicht vorbereitet sind. Da wurden Mädchen und Jungen in Berliner Schulen am Freitag per Lautsprecher informiert, dass das Mittagessen ausfällt. Andere Einrichtungen wurden gleich ganz geschlossen. Eltern und Schüler blieben aber im Unklaren, ob es eine Gefahr gibt und wie groß sie ist. Da gibt es eine Gesundheitsstaatssekretärin, die zwar schnell zu einer Pressekonferenz lädt. Aber am Ende bleibt nur der Appell, selbst Brote mit zur Schule oder jetzt in den Ferienhort mitzugeben und die Hygieneregeln zu beachten. Und wer krank wird, soll sich bitte melden, damit Statistiken geführt werden können. Das ist zwar wichtig, um den Verlauf von Epidemien richtig einschätzen zu können. Aber die verunsicherten Eltern, Lehrer und Schüler wollen Aufklärung. Das Problem bei solchen Alarmlagen ist ein strukturelles: Es sind zu viele Behörden involviert. Die Senatsverwaltung für Verbraucherschutz kümmert sich um die Lebensmittelhygiene. Die Senatsverwaltung für Gesundheit ist für die Kindergesundheit zuständig - und die Schulverwaltung für die Schulen insgesamt. Am Sonnabend kümmerten sich diese drei Senatsverwaltungen um die Öffentlichkeitsarbeit. Dann gibt es auch noch die bezirklichen Gesundheitsämter, an die sich die Schulleiter wenden sollen, wenn bei ihnen viele Kinder krank sind. Dazu kommen noch andere betroffene Bundesländer, die wiederum andere Landesbehörden informieren sollen. Schließlich analysiert das Robert-Koch-Institut, woran es liegen könnte, und informiert dann wieder die Landesbehörden. Im aktuellen Fall wurde jetzt auch noch eine Taskforce der Bundesländer eingerichtet. Am Sonnabend hieß es, dass es keinen Grund zur Panik geben müsse, weil die Krankheitsverläufe verhältnismäßig milde sind. Man mag sich gar nicht vorstellen, was in einem Ernstfall geschähe. Der beste Weg, Panik und einen Ansturm auf Arztpraxen und Rettungsstationen zu vermeiden, ist eine zügige Aufklärung. Das beginnt in den Schulen, wo Schulleiter den Eltern und Schülern den Grund ihres Handelns schnell mitteilen sollten. Und es setzt sich fort beim Senat, wo die Strukturen gebündelt werden sollten, um so schneller und effizienter handeln und informieren zu können.
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