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BERLINER MORGENPOST: Wer macht das große Fass auf?
Leitartikel von Hajo Schumacher

Berlin (ots)

Kaum flattern die ersten stolzen Stromrechnungen in die Briefkästen, da schwant dem deutschen Verbraucher, dass dieser Winter, der ein langer werden wird, auch noch eine satte Heizkostennachzahlung mit sich bringt. Gut, dass man sich bei der Auffahrt zur Tankstelle angewöhnt hat, die Augen zuzuhalten. Strompreisbremse hin, Solarzellen her, das Heizen auf der Autobahn und in der Wohnung funktioniert regenerativ kaum. Aller Energiewende zum Trotz sponsern wir weiterhin Regime, die uns Öl und Gas liefern. Das muss nicht sein, sagen die Visionäre, lasst uns unsere fossilen Energien doch einfach fracken (sprich: fräcken). Kann Obama doch auch. Stimmt. Der US-Präsident hat bereits in seiner ersten Amtszeit einen historischen Wandel eingeleitet. Mittels Fracking produzieren die USA jedes Jahr mehr Erdgas und Öl und werden schon bald zur Exportnation für fossile Brennstoffe aufsteigen. So sinkt die Abhängigkeit von sinistren Potentaten; vorbei die Zeit der Golfkriege, als Blut gegen Öl getauscht wurde und traumatisierte Soldaten heimkehrten. Was aber ist dieses Fracking? Ganz einfach. Oft schwappen Öl und Gas unter der Erde in Blasen oder Seen. Sehr viel größere Mengen der kostbaren Rohstoffe aber stecken in kleinsten Zwischenräumen, zum Beispiel in Schiefergestein. Presst man ein Wasser-Säure-Gemisch in die Erde, sammeln sich die fossilen Kostbarkeiten und können nach oben gepumpt werden. Der Nachteil: Kein Mensch weiß genau, was Fracking im Erdboden anrichtet. Während die USA mit Volldampf ihre Brennstoffe aus dem heimischen Boden pressen, bremst der Bundesumweltminister die Fracker in Deutschland. Zwar lagert vor allem in Niedersachsen angeblich Schiefergas für Jahrzehnte. Aber Peter Altmaier will dieses Fass nicht aufmachen. Das Umweltbundesamt warnt bereits vor großflächigem Abbau. Und der Minister ahnt: Den Deutschen, die schon das Verpressen von CO2 ablehnten, werden für Gas aus dem eigenen Garten nicht zu begeistern sein. Das kann man den Menschen kaum verdenken. Selbst der argloseste Atom-Fan muss eingestehen, dass die Akte Gorleben, vor allem aber ein unterirdischer Salzsee namens Asse den Tatbestand des Volksbetrugs erfüllten. Fässer mit strahlendem Inhalt, die angeblich auf ewig sicher untergebracht waren, fingen schon nach wenigen Jahren an zu lecken. Ob Bürger, die ihr Häuschen direkt über einem Fracking-Revier erbauten, davon zu überzeugen ist, dass die Säurekur im Boden völlig harmlos sei? Eher nicht. Vielmehr darf sich die Republik darauf einstellen, dass Fracking zum neuen Castor werden wird, das Symbol des Bösen. So quält den Moralmenschen weiterhin die Frage, ob es ethisch korrekter ist, den eigenen Boden zu verseuchen oder aber seine Brennstoffe aus Saudi-Arabien zu importieren, wo Frauen gesteinigt und Spitzbuben mit dem Hackebeil bestraft werden. Das Fördern fossiler Energieträger wird immer eine schmutzige Angelegenheit bleiben. Pragmatiker regen an, den Amerikanern künftig ihre Schiefergasüberschüsse einfach abzukaufen. An saftige Energiepreise haben wir uns ja gewöhnt.

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