All Stories
Follow
Subscribe to BERLINER MORGENPOST

BERLINER MORGENPOST

BERLINER MORGENPOST: Die großen Gleichmacher. Thomas Vitzthum über die Pisa-Studie der OECD zu den Kenntnissen der Erwachsenen

Berlin (ots)

Deutschland soll jetzt PIAAC-geschockt sein. So wie es vor zehn Jahren Pisa-geschockt war. Das wäre ganz nach dem Kalkül der OECD. Die Organisation hat weltweit in der sogenannten PIAAC-Studie mit unglaublichem zeitlichen, personellen und finanziellen Aufwand Lese-, Rechen- und Computerkenntnisse von 166.000 Erwachsenen untersucht. Fast möchte man entrüstet fragen, ob das viele benötigte Geld nicht besser investiert gewesen wäre, wenn man damit Schulen gebaut oder - um im Kontext zu bleiben - Erwachsenenbildung betrieben hätte. Deutschlands Erwachsene sind laut OECD international nur mittelmäßig. Sie lesen oft holprig und verstehen das Gelesene nicht so gut wie die Bürger vieler anderer Nationen. Immerhin rechnen sie ein wenig besser als die meisten, aber mit dem Computer und entsprechenden Anwendungen tun sie sich wiederum oft schwer. Diese Befunde können kaum überraschen, stellt doch die OECD den deutschen Schülern seit Jahren ein mittelmäßiges Zeugnis aus. Logisch, dass deren Eltern und Großeltern keine Genies sind. Die erfolgreichste Wirtschaftsnation des Kontinents - ein Volk von Dummköpfen? Alle zurück auf die Schulbank? Warum nicht? Denn, so erklärt die OECD, wer schlecht liest, den Dreisatz nicht beherrscht und keine Computermaus bedienen kann, verdient weniger. Diese Kausalität mag ja noch irgendwie nachvollziehbar sein. Aber für die OECD ist "weniger verdienen" gleichbedeutend mit "weniger zufrieden sein" oder schlimmer: "weniger wert sein". Der Mensch definiert seinen Wert nur als Homo oeconomicus. Kein Wunder, dass das Unwort "Humankapital" in der Sprache der Autoren und Auftraggeber konsequent auftaucht. Bildung wird reduziert auf die pure Qualifikation. Schließlich wird folgendes Fazit gezogen, das in allen Pisa-Studien immer am Ende steht, das also die Kernbotschaft ist: Nicht nur in der Schule sei die Chancenungleichheit gewaltig, sondern auch auf dem Arbeitsmarkt. Offenbar ist es Ziel der OECD, jetzt auch noch die Erwachsenen dem Diktat der Bevormundung zu unterwerfen und einer Gesellschaft, die ihren Wohlstand einem auf Verschiedenheit basierenden marktwirtschaftlichen System verdankt, einzureden, dass Ungleichheit in jedwedem Lebensbereich des Teufels ist. Die OECD will offenbar eine Gesellschaft der Gleichmacherei - das jedoch ist des Teufels.

Pressekontakt:

BERLINER MORGENPOST

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

Original content of: BERLINER MORGENPOST, transmitted by news aktuell

More stories: BERLINER MORGENPOST
More stories: BERLINER MORGENPOST
  • 05.10.2013 – 18:48

    BERLINER MORGENPOST: Wenn die Party zu laut wird - Leitartikel

    Berlin (ots) - Berlin ist attraktiv - für Touristen aus aller Welt, für junge Menschen, die mit wenig Geld in die Stadt kommen, um hier etwas zu erleben, um Party zu machen. Sie feiern während ihres Berlin-Besuchs besonders gerne im öffentlichen Raum - im Mauerpark in Prenzlauer Berg, im Volkspark Friedrichshain, auf der Admiralbrücke in Kreuzberg. Für sie ist das ein Erlebnis, für die Anwohner inzwischen häufig ...

  • 04.10.2013 – 18:39

    BERLINER MORGENPOST: Schleusern das Handwerk legen - Leitartikel

    Berlin (ots) - Die Tragödien nehmen kein Ende. Die kleine italienische Insel Lampedusa droht zu einem riesigen Friedhof zu werden. Die Katastrophe mit Hunderten von Ertrunkenen ist die bislang erschütterndste, reiht sich aber ein in eine lange Reihe von gescheiterten Fluchtversuchen, bei denen in den vergangenen 25 Jahren vermutlich etwa 20.000 Menschen starben. Die Betroffenheit ist groß und echt, die Forderungen, den ...

  • 03.10.2013 – 18:44

    BERLINER MORGENPOST: Nicht unbedingt gut, aber teuer - Leitartikel

    Berlin (ots) - Fröhlich rief die Kanzlerin: "Ach, lassen Sie uns doch noch anstoßen!" Das meistgebrauchte Wort der Koalitionsverhandlungen lautete "Vertrauen". Einträchtig trabten CSU-Chef Stoiber, SPD-Anführer Müntefering und sogar Noch-Kanzler Schröder vor acht Jahren hinter der neuen Regierungschefin her, um die große Koalition zu begießen. Der Bürger aber ...