BERLINER MORGENPOST: Die EU ist nicht an allem schuld
Leitartikel von Jochim Stoltenberg
Berlin (ots)
Es könnte seine letzte wichtige Entscheidung nicht nur auf der europäischen Bühne sein. Auf jeden Fall ist es keine schlechte. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), dessen Zukunft in einer neuen Bundesregierung ungewiss ist, hat die Aufnahme der beiden EU-Armenhäuser Bulgarien und Rumänien in den grenzenlosen Schengen-Raum blockiert. Mit einer zweifachen, nicht nur aus deutscher Sicht wünschenswerten Konsequenz.
Zum einen bleibt es bei der eingeschränkten Freizügigkeit für Bulgaren und Rumänen, also keiner schrankenlosen Armutswanderung in die wohlhabenderen Schengen-Länder. Größer ist eine andere Sorge: Wären beide Länder aufgenommen worden, hätten sie als Außenposten des Schengen-Raums die Einreise aus Drittstaaten in die EU kontrollieren müssen. Dies wirksam zu leisten, traut nicht nur Deutschland den Regierungen in Sofia und Bukarest angesichts von Korruption und schlechter Verwaltung nicht zu. Damit drohte eine offene Tür für neue Flüchtlingsströme nach Europa. Und noch einen Erfolg kann Friedrich verbuchen: Deutschland darf vorübergehend wieder Visa von Reisenden aus Nicht-EU-Balkanländern verlangen. Es ist ja auch in der Tat schwer nachzuvollziehen, dass immer mehr Menschen aus Serbien und Montenegro in Deutschland Asyl beantragen - aus zwei Ländern, die sich um die EU- Mitgliedschaft bewerben, angelockt allein in Erwartung finanzieller Leistungen.
Dagegen blieb Friedrichs Forderung, mehr gegen den Missbrauch der gültigen Freizügigkeit innerhalb der EU zu tun, ohne Wirkung. Die zuständige EU-Kommissarin konterte kühl, die jammernden Länder sollten das national regeln. Es gehe, so Viviane Reding zu Friedrich, um deutsches Recht, das entweder nicht eingehalten werde oder zu großzügig sei. Eine richtige Watschn für den Bayern. Denn wie recht die Kommissarin hat, belegen zwei deutsche Urteile: Ein Gericht verweigerte dieser Tage einer rumänischen Familie Hartz-IV-Leistungen, ein anderes entschied entgegengesetzt. Es ist zu billig, die EU für alles zum Buhmann zu machen. Richtig bleibt aber auch, dass Bulgarien und Rumänien 2007 nicht reif waren für eine Mitgliedschaft. Dem hat auch Deutschland mit allen Konsequenzen zugestimmt. Nun gilt es, sie gemeinsam zu tragen und Probleme zu lösen - im Guten wie in Nöten.
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