BERLINER MORGENPOST: Auch bei Neuland ist nicht alles öko Leitartikel von Jochim Stoltenberg zum aufgedeckten Betrug mit dem renommierten Gütesiegel
Berlin (ots)
Nun auch das noch. Und das ausgerechnet vor den Einkäufen für das Osterfest. Der von hoher Glaubwürdigkeit der Verbraucher getragene Neuland Verein soll entgegen seinem Versprechen jahrlang keineswegs nur artgerecht gehaltenes Geflügel in den Handel gebracht haben. Noch hat Neuland nicht offiziell bestätigt, dass er von einem niedersächsischen Geflügelzüchter hintergangen worden ist. In einer Stellungnahme wird allerdings schon von einem Einzelfall gesprochen, bei dem "kriminelle Energie und Raffgier" eine Rolle gespielt hätten. Das gleicht denn doch einem Eingeständnis, kommt dem zumindest äußerst nah. Die schlimmsten Befürchten werden durch die Recherche des Wochenmagazins "Die Zeit"" samt eines Eingeständnisses des Geflügelbauern belegt. Der hat Neuland über einen längeren Zeitraum mit Geflügel aus konventioneller Massenhaltung statt aus tierfreundlicher Zucht beliefert. Wieder wurden die Verbraucher betrogen, ihr Vertrauen missbraucht. Diesmal waren es besonders wohlmeinende und gutgläubige. Neuland ist nicht irgendwer. Das Gütesiegel steht für Tierschutz und artgerechte Haltung, für bäuerliche statt für industrielle Massenproduktion - Versprechen, die vom Deutschen Tierschutzbund, dem Bund für Umwelt und Naturschutz und der Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft getragen werden. Wenn selbst die nicht halten, was sie versprechen, ist das ein verbraucherpolitischer GAU. Wem soll der Kunde überhaupt noch trauen?! Offensichtlich kann man sich auf kein Versprechen mehr verlassen. Auch dann nicht, wenn man aus Mitgefühl für die Kreatur oder der eigenen Gesundheit wie des besseren Geschmacks wegen bereit ist, tiefer ins Portemonnaie zu greifen. In Berlin soll es übrigens besonders viele Kunden für Neuland Fleisch geben. Es wird höchste Zeit, dass der Verein nicht länger herumeiert. Zugegeben, es ist komplizierter und aufwendiger, Produkte der zahlenmäßig viel größeren bäuerlichen Lieferanten zu kontrollieren als die der Massenproduzenten. Dennoch muss das Kontrollnetz weiter verdichtet werden, wenn das Premiumsiegel Neuland seine Glaubwürdigkeit zurückgewinnen will. Einfacher wird der Ostereinkauf auch an der Fleischtheke nach dieser neuen Hiobsbotschaft nicht. Und schlimmer: Das verbreitete Gefühl, Nichts und Niemandem mehr vertrauen zu können, wird einmal mehr bestärkt. Auch wenn es immer nur Einzelfälle sind - bedenklich ist dieser Trend besonders dann, wenn es um gesunde Ernahrung geht. Die hat es hierzulande ohnehin schwer.
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