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BERLINER MORGENPOST: Misstrauensvotum gegen den Senat - Leitartikel von Hajo Schumacher

Berlin (ots)

Berlin ist von einem Virus befallen, und es breitet sich immer weiter aus. Wer vom BER-Virus angesteckt ist, der misstraut jeglichen Zahlenwerken von Politikern, der lacht über Versprechen und Prognosen. Die jüngsten Umfragen zum Tempelhofer Feld beweisen vor allem eines: der Status quo, das freie Feld erscheint der Mehrheit der Berliner derzeit deutlich sicherer als Bauprojekte mit höchst ungewissem Ausgang.

Wie heftig das BER-Virus wütet, ist exemplarisch an der geplanten Zentralbibliothek abzulesen. So notwendig diese Investition auch sein mag, so skeptisch sind die Menschen, was Bauzeit, Kosten und Größe des Bildungsklotzes angeht. Sobald ein Politiker die geplanten Kosten von 270 Millionen Euro erwähnt, ist ihm bitteres Gelächter sicher. Wer soll das denn glauben? Wir können doch froh sein, wenn wir die Milliarde nicht knacken, nachdem sich die Bauzeit verdoppelt hat. So hat die völlig entglittene BER-Baustelle nicht nur Krater in die Kassen gerissen, sondern auch ins Vertrauen der Bürger.

Die Berliner glauben ihren Anführern nicht mehr, dass die irgendein Projekt hinkriegen. Klugerweise votieren die Wähler dann für das geringste Übel - ein Weiter so. Dann werden zumindest Kollateralschäden minimiert. Ähnliches gilt für den Masterplan des Senats für das Tempelhofer Feld: Randbebauung, sagen die Leute, das stimmt doch gar nicht, erst fangen sie am Rand an und in 20, 30 Jahren ist dann nichts mehr übrig. Und am Ende bauen da doch wieder Spekulanten Lofts für teuer Geld.

Und auch dieses Misstrauen ist ja erklärbar. Anstatt einen tumben Wohnklotz ausgerechnet an die Oderstraße zu planen, wo die meisten Leute sich am Wochenende tummeln, wo die Gärten liegen und das Feld einem Park am nächsten kommt, wäre es sicher schlauer gewesen, ein soziales, ökologisches, autofreies Wohnen zu planen, dann hätte man sich die ganzen autofreien Experimente am Helmholtzplatz oder jetzt in Schöneberg sparen können. Immer wieder vermuten die Berliner eine versteckte Agenda, eine verborgene Absicht oder einfach Unfähigkeit. Das ist nicht fair, aber erklärbar.

Insofern ist das Nein der Bürger zur Bebauung nicht nur mit Politikverdrossenheit und Lerchen-Romantik zu erklären, sondern mit einer sehr gesunden und nachvollziehbaren Skepsis gegen die vielen Projektsteuerungskompetenzen dieses Senats. Es ist ein generelles Misstrauensvotum. Die Mehrheit sagt: Lieber gar nichts machen als was Falsches. Ebendiese Stimmung gilt inzwischen auch für Wowereit. Lieber irgendeinen Regierenden als diesen.

Pressekontakt:

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Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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