BERLINER MORGENPOST: Teures Geschenk für die Alten/ Ein Leitartikel von Jochim Stoltenberg
Berlin (ots)
Zunächst das Positive. Der Kompromiss der Großkoalitionäre zum Rentenpaket verhindert das Schlimmste. Das gilt inhaltlich insbesondere für die Stichtagsregelung, die Missbrauch bei der abschlagsfreien Rente mit 63 verhindern soll. Auf eine Entschärfung gegenüber den bisher geplanten Regelungen läuft auch die Flexi-Rente hinaus, nach der Mitarbeiter über die Regelaltersgrenze hinaus beschäftigt werden dürfen. Koalitionspolitisch bestätigt die schnelle Verständigung den Willen der drei Regierungsparteien, Kontroversen durch gegenseitiges Geben und Nehmen zu überwinden und damit nervenden öffentlichen Streit zu vermeiden. Das unterscheidet diese Koalition zumindest bislang von der schwarz-gelben Vorgängerin.
Das war's dann aber auch schon mit dem Lobenswerten. So menschlich verständlich das dicke Paket mit Mütterrente, abschlagsfreier Rente mit 63 und einer verbesserten Erwerbsminderungsrente ist - es weist in die Vergangenheit, nicht in die Zukunft. Allen demografischen Prognosen zum Trotz werden einer weiter abnehmenden arbeitenden Bevölkerung zusätzliche Lasten aufgebürdet, um die immer größer werdende Rentnergeneration zu alimentieren. Ausbau von Bildung und Infrastruktur haben das Nachsehen.
Allein das jetzt geschnürte Rentenpaket kostet rund zehn Milliarden Euro jährlich und summiert sich bis 2030 auf 160 Milliarden Euro. Schon heute fließen zusätzlich zu den Beiträgen der Arbeitnehmer pro Jahr rund 80 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt in die Rentenkasse, um diese angemessen zu füllen. Und die Koalitionäre sind auch bereits darüber einig, dass der Steuerzuschuss dank ihrer Beschlüsse spätestens ab dem Jahr 2018 weiter erhöht werden muss.
Eine an der Zukunft orientierte Politik eines Landes, dessen Steuern zahlende Bevölkerung abnimmt und dessen Wohlstand wegen nicht vorhandener Rohstoffe auf Forschung und Bildung gründet, sieht anders aus. Aber die SPD will nach den Zumutungen durch die Agenda 2010 ihrer frustrierten angestammten Klientel endlich wieder vermeintlich Gutes tun, die Union ihr Herz für die traditionelle Familie bekunden. Eine für das Land teure Klientelpolitik. Dennoch ist dem Rentenpaket am Freitag eine große Mehrheit ziemlich sicher. Weil der jetzt gefundene Kompromiss allen voran die Kritiker im wirtschaftsnahen Unionslager besänftigt.
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