BERLINER MORGENPOST: Ein Lord soll es richten Kommentar von Sebastian Arlt zur neuen Spitze des internationalen Leichtathlet-Verbandes IAAF
Berlin (ots)
Sebastian Coe, 58, soll die Leichtathletik retten und den Läufern, Springern und Werfern neuen Glanz verleihen. Auf den Olympiasieger über 1500 Meter von 1980 und 1984, der am Mittwoch an die Spitze des internationalen Leichtathlet-Verbandes IAAF gewählt wurde, wartet jedoch eine Herkulesaufgabe. Denn vor der am Sonnabend beginnenden Weltmeisterschaft in Peking droht die Sportart mehr denn je im Dopingsumpf unterzugehen. Recherchen der ARD und der "Sunday Times" brachten vor Kurzem ans Tageslicht, dass die IAAF 12.000 Bluttests aus den Jahren 2001 bis 2012 mit fast 150 dopingverdächtigen Werten von Athleten aus dem Ausdauerbereich unter Verschluss gehalten hat. Etwa ein Drittel aller Medaillengewinner bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen sollen betroffen sein. Zwar unternimmt der Verband zweifellos einige Anstrengungen im Anti-Doping-Kampf, doch unter Coes Vorgänger, dem Senegalesen Lamine Diack, 82, wurden Vertuschen und Wegschauen offenbar zum Prinzip. Nur nicht das eigene Produkt beschädigen, hieß das Motto von Diack, der sich fast 16 Jahre lang wie ein Sonnengott gerierte. Sepp Blatter, der Fifa-Präsident, lässt grüßen. Durch den Druck der Öffentlichkeit wurden dann zumindest einige verdächtige Werte öffentlich gemacht. Weltklasse-Athleten um das Berliner Diskus-Paar Robert Harting und Julia Fischer entzogen dem Verband in einer öffentlichkeitswirksamen Aktion das Vertrauen. Sie prangerten die IAAF an, zu wenig gegen die Betrüger zu tun. Beim Zuschauer springt, läuft und wirft der Verdacht längst mit. Wird der von der Queen im Jahr 2000 in den Adelsstand erhobene Engländer Sebastian Coe die mit seiner Wahl verbundenen Hoffnungen wirklich erfüllen? Dass er in einer Reaktion auf die Vorwürfe von einer "Kriegserklärung" der Medien gegen die Sportart sprach, ließ erst einmal nicht hoffen. Doch inzwischen spricht der wendige Lord davon, die Leichtathletik von Grund auf erneuern zu wollen. Der Anti-Doping-Kampf soll organisatorisch aus dem Verband herausgelöst und von einer unabhängigen Instanz übernommen werden. Es bleibt etwas Hoffnung.
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