BERLINER MORGENPOST: GroKo als Groteske - Leitartikel von Jochen Gaugele
Berlin (ots)
Eigentlich sollte die Neuauflage einer Koalition auch nach einer für alle Partner unerfreulich verlaufenen Wahl eine lösbare Aufgabe sein. Doch die Vorstellung, die CDU, CSU und SPD seither bieten, ähnelt einer Groteske.
Die Stimmen waren noch nicht ausgezählt, da legte sich der verzagte SPD-Chef Martin Schulz auf Opposition fest. Und die geschäftsführende Kanzlerin Angela Merkel analysierte, die SPD sei im Bund auf absehbare Zeit nicht regierungsfähig. Gar nicht ins Kalkül zu ziehen, dass die Sondierungen für ein Jamaika-Bündnis misslingen können, war jedenfalls kein Ausweis politischer Weitsicht.
Zwei schlichte Erkenntnisse sind seit der Wahl aus dem Blick geraten: Ein Koalitionsvertrag ist eine Absichtserklärung, nicht mehr und nicht weniger. Regierungsparteien müssen auch Unvorhergesehenes gestalten - und Vereinbartes überprüfen. Dass Union und SPD dazu imstande sind, haben sie in der Finanzkrise 2008/09 gezeigt.
Und zweitens: Neuwahlen sind tatsächlich kein Ausweg, das zeigt schon ein Blick auf die Umfragen. Wieder wären wohl nur zwei Konstellationen möglich - große Koalition und Jamaika.
Wer sich Illusionen gemacht hatte über die Haltung der SPD-Basis zur GroKo, erfuhr beim Sonderparteitag einen heilsamen Schock. Und jetzt sollen die Parteimitglieder über den Koalitionsvertrag abstimmen. Dieses Verfahren ist dem tief sitzenden Misstrauen einer waidwunden SPD gegenüber ihrer Führung geschuldet, offenbart allerdings ein eigenartiges Verständnis der repräsentativen Demokratie. Mehr als 80 Millionen Menschen in Deutschland hängen vom Votum nicht einmal einer halben Million Sozialdemokraten ab.
Seit ihrem Parteitag erlebt die SPD einen unheimlichen Mitgliederzuwachs. Juso-Chef Kevin Kühnert, ein talentierter Anti-GroKo-Aktivist, ist sich seiner Sache sicher: Ein neues Bündnis mit Merkel wird es nicht geben. Es wäre absurd, behielte Kühnert recht.
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