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BERLINER MORGENPOST: Gerechtigkeit kostet Geld
Leitartikel von Jens Anker zur Brandenburger Justiz

Berlin (ots)

Kurzform: Wenn Brandenburg jetzt wie ankündigt neue Staatsanwälte und Richter einstellt, ist das eine gute Sache. Es stellt sich aber die Frage: Warum erst jetzt? Auch bei der Polizei wurde spät, aber immerhin reagiert. Schon längst hätte auf die sich anbahnende Entwicklung maßvoll reagiert werden können, entsprechende Appelle aus der Justiz an die Politik gab es schon lange. Das hätte den erfreulichen Nebeneffekt gehabt, dass sich Amts- und Staatsanwälte, Amts- und Strafrichter ernst genommen fühlen. Diese Chance wurde in Brandenburg in den vergangenen Wochen vertan.

Der vollständige Leitartikel: Gleich zwei spektakuläre Fälle erregen derzeit die Öffentlichkeit in Brandenburg. Anfang Dezember wurde ein mutmaßlicher Mörder aus der Haft entlassen, weil das Verfahren zu lange dauerte. Nur einen Monat später ordnete das Oberlandesgericht an, einen in erster Instanz zu neuneinhalb Jahren verurteilten mutmaßlichen Brandstifter ebenfalls freizulassen, weil die Justiz zu langsam arbeitete. Was lief da schief? Es gehört zum Dauerstreit zwischen Politik und Verwaltung, dass die einen ständig mehr Personal fordern, um ihre Arbeit erledigen zu können, die anderen dagegen eine effektive Arbeit einfordern, um das gleiche Ziel zu erreichen. So kommt es, dass in Zeiten des Geldmangels regelmäßig Personal abgebaut und in guten Zeiten wieder aufgebaut wird. Grundsätzlich ist nichts Schlechtes daran, die Arbeit in der Verwaltung immer wieder zu überprüfen und den sich verändernden Anforderungen anzupassen. Die Justiz entzieht sich dieser Logik allerdings - denn sie sichert einen Grundpfeiler des Rechtsstaates. Strafe sollte möglichst unmittelbar nach der Tat erfolgen, um Wirkung zu erzielen, lautet eine Grundregel in der Justiz. Eine andere lautet: Der Rechtsstaat kostet Geld. Es hilft nichts, über steigende Kosten in der Verwaltung zu klagen: Wenn das Gewaltmonopol beim Staat liegt, dann muss er es auch ausüben. Wie soll sonst auch eine angemessene Strafverfolgung noch möglich sein und wie gründlich können die Staatsanwälte und Richter noch in die Verfahren eintauchen, wenn Verfahren angesichts der Digitalisierung und Globalisierung immer umfangreicher und komplizierter werden? Die Verrechtlichung der Gesellschaft führt darüber hinaus zu bisweilen bizarren Zuständen, zum Beispiel wenn Eltern gegen die Zensuren ihrer Kinder klagen oder Obdachlose, die vor der Kälte in die U-Bahn fliehen, wegen Schwarzfahrens strafrechtlich verfolgt werden. Das alles muss der Rechtsstaat aushalten. Das alles bindet aber auch Personal und kostet Zeit, die im Fall des Mörders und des Brandstifters offenbar fehlten. Das darf nicht passieren. Hier hätte Brandenburgs Justizminister Stefan Ludwig (Linke) längst handeln müssen. Es ist ein Unding, dass Akten wochenlang liegen bleiben, weil in diesen beiden Fällen die Gerichte mit der Arbeit nicht hinterherkamen. Jetzt ist der Schaden da, das Vertrauen in die Justiz beschädigt: Ein verurteilter Mörder und ein wegen Brandstiftung Angeklagter, die in Haft sitzen sollten, sind frei. Im Ringen um eine ausreichend ausgestattete Justiz darf der Kostenfaktor aber keine Rolle spielen. Dafür trägt Ludwig die Verantwortung, weil er aus Sorge vor unliebsamen Mehrausgaben die Situation an den Gerichten ignorierte. Sein Versuch, sich für nicht zuständig zu erklären, sondern mit dem Finger auf die Gerichte zu zeigen, ist fast schon frech. Wenn Brandenburg jetzt wie ankündigt neue Staatsanwälte und Richter einstellt, ist das eine gute Sache. Es stellt sich aber die Frage: Warum erst jetzt? Auch bei der Polizei wurde spät, aber immerhin reagiert. Schon längst hätte auf die sich anbahnende Entwicklung maßvoll reagiert werden können, entsprechende Appelle aus der Justiz an die Politik gab es schon lange. Das hätte den erfreulichen Nebeneffekt gehabt, dass sich Amts- und Staatsanwälte, Amts- und Strafrichter ernst genommen fühlen. Diese Chance wurde in Brandenburg in den vergangenen Wochen vertan.

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Telefon: 030/887277 - 878
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