BERLINER MORGENPOST: Rechtspolitischer Offenbarungseid
Kommentar von Hans H. Nibbrig zu Wirtschaftskriminalität
Berlin (ots)
Kurzform: In Berlin dagegen kämpfen zweifellos engagierte Kriminalbeamte und Staatsanwälte angesichts völliger Überlastung weitgehend chancenlos gegen einen übermächtigen Gegner. Gebraucht werden mehr Ermittler, die eine Bilanz lesen oder finanzielle Transaktionen quer über den Globus verfolgen können. Gefragt sind zusätzlich Betriebswirte, Bankkaufleute oder Wirtschaftsprüfer. Die für den öffentlichen Dienst zu gewinnen, ist - zumal in Berlin - schwierig. Aber die Politik muss es zumindest versuchen. Es würde sich auch lohnen, denn nirgendwo können wenigstens theoretisch bei überführten Tätern so viele kriminell erworbene Vermögenswerte abgeschöpft werden.
Der vollständige Kommentar: Der Schaden durch Wirtschaftskriminalität in Berlin ist 2018 gegenüber dem Vorjahr um 300 Millionen auf knapp eine Milliarde Euro gestiegen. Gleichzeitig wurde die Zahl der Stellen in der zuständigen Fachdienststelle des Landeskriminalamtes (LKA) halbiert. Diese beiden Entwicklungen zusammen erzeugen ohne Zweifel das Kopfschütteln, das in Berlin häufig angesagt ist. Wenn der LKA-Chef das dann noch mit den Worten kommentiert, die Ermittlungen seien extrem aufwendig, die Ergebnisse vor Gericht dagegen dünn, dann hätte er auch direkt sagen können: Es bringt eh nichts, also konzentrieren wir uns lieber auf andere Kriminalitätsformen. Das klingt absurd, noch absurder aber ist: Der Mann hat recht. In der Wirtschaftskriminalität geht es um Geldwäsche, Insolvenzdelikte, Untreue und Betrug, es geht um mehrstellige Millionenbeträge. Und die Tätergruppen können, wenn Vater Staat ihnen doch einmal auf die Schliche kommt, jederzeit auf ein Heer hochkarätiger Juristen und Finanzexperten zurückgreifen. In Berlin dagegen kämpfen zweifellos engagierte Kriminalbeamte und Staatsanwälte angesichts völliger Überlastung weitgehend chancenlos gegen einen übermächtigen Gegner. Gebraucht werden mehr Ermittler, die eine Bilanz lesen oder finanzielle Transaktionen quer über den Globus verfolgen können. Gefragt sind zusätzlich Betriebswirte, Bankkaufleute oder Wirtschaftsprüfer. Die für den öffentlichen Dienst zu gewinnen, ist - zumal in Berlin - schwierig. Aber die Politik muss es zumindest versuchen. Es würde sich auch lohnen, denn nirgendwo können wenigstens theoretisch bei überführten Tätern so viele kriminell erworbene Vermögenswerte abgeschöpft werden. Wer Gewinne erzielen will, muss erst mal investieren. Berlin braucht solche Investitionen in ausreichendes qualifiziertes Personal. Alles andere wäre der rechtspolitische Offenbarungseid.
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