Wunschzettel von der Basis
Leitartikel von Dominik Bath zum neuen Berliner Klima-Bürgerrat
Berlin (ots)
Kurzform: Dass Berlin einen neuen Beteiligungsansatz erprobt, kann die Diskussionen rund um die Frage, wie die Klimaschutzziele erreicht werden können, beleben. Denn ein stärkerer Klimaschutz wird sich fraglos auf viele Lebensbereiche auswirken. Die Beteiligung gerade auch von sozial schlechter gestellten Berlinern, die sonst eher nicht am Diskurs teilnehmen, ist deswegen auch eine gute Chance, die Akzeptanz der zu beschließenden Maßnahmen zu erhöhen. Am Ende aber muss die Rollenverteilung klar sein: Der neue Klimarat empfiehlt, Politiker wägen ab, gleichen unterschiedliche Interessen aus und entscheiden.
Der vollständige Leitartikel: Die Menschen wollen nicht nur über das Klima reden, sie wollen Taten sehen. Dass den Bürgerinnen und Bürgern eine entschlossene Klimapolitik durchaus wichtig ist, hatten bereits im vergangenen Jahr die Ergebnisse des ersten Klima-Bürgerrats auf Bundesebene gezeigt. 160 zufällig ausgewählte Menschen hatten sich dabei zwei Monate lang darüber ausgetauscht, wie die deutschen Klimaziele zu erreichen sein könnten. Dabei entwickelten sie weitreichende Forderungen wie ein Verbot von Öl- und Gasheizungen und Verbrennungsmotoren, weniger Nutztiere, ein Tempolimit auf Autobahnen und Vorrang für das 1,5-Grad-Ziel bei allen staatlichen Maßnahmen.
Beratungsbedarf haben die handelnden Politiker durchaus. In Sachen Klimaschutz ist Deutschland lediglich Mittelmaß. Die Energiewende stockt und stottert. Ausbauziele mit Blick auf durch Sonne und Wind erzeugten Strom werden verfehlt, und in den Innenstädten sind weiterhin vor allem Benziner und Diesel unterwegs.
Auch in der deutschen Hauptstadt gibt es mit Blick auf den Klimaschutz viele unerledigte Aufgaben. In der vergangenen Legislaturperiode hat der Berliner Senat zwar erste Grundsteine gelegt. Der Durchbruch sind das Klimaschutz- und Energiewendegesetz, angeschobene Investitionen in den ÖPNV, eine baldige Solardachpflicht für Neubauten und ein paar Pop-up-Radwege aber nicht. Viel mehr wird noch zu tun sein, wenn Berlin bis spätestens 2045 klimaneutral werden soll. Auch die nun zuständige Senatorin Bettina Jarasch (Grüne) weiß das.
In Teilen der Bevölkerung, die sich schnellere Schritte wünschen, wächst deswegen nachvollziehbar der Unmut. In Berlin sind in diesen Tagen 2800 Einwohnerinnen und Einwohner angeschrieben worden. Ab April sollen sich dann 100 von ihnen zum ersten sogenannten Klimabürger:innenrat auf Länderebene zusammenfinden - ausgelost nach Alter, Geschlecht, Bildungsgrad, Wohnbezirk und etwaiger Migrationserfahrung. Über neun Sitzungen lang sollen die Teilnehmer tagen, um dann Ende Juni der Politik ihre Ergebnisse zu präsentieren. Und so hat dann auch der erste Berliner Klimabürger:innenrat die Möglichkeit, deutliche Signale an die Landespolitik zu senden. Bindend sind die von dem Mini-Berlin erarbeiteten Empfehlungen aber nicht. Fraglich ist deshalb, ob die Arbeit dieses Gremiums zu mehr taugt als lediglich zu einer basisdemokratischen Übung.
Nichtsdestotrotz dürften sich allein schon aus der Zusammensetzung des Rates neue Konflikte ergeben. So soll das Gremium zwar einen Querschnitt der Berliner Einwohner abbilden, Interessenvertretungen wie zum Beispiel Wirtschaftsverbände bleiben aber außen vor. Man muss kein Experte sein, um zu erahnen, wer in einer Mieterstadt wie Berlin nach dem Willen eines solchen Rates dann zum Beispiel für energetische Sanierungsmaßnahmen am Haus oder den Austausch einer alten Ölheizung zahlen soll.
Dennoch: Dass Berlin einen neuen Beteiligungsansatz erprobt, kann die Diskussionen rund um die Frage, wie die Klimaschutzziele erreicht werden können, beleben. Denn ein stärkerer Klimaschutz wird sich fraglos auf viele Lebensbereiche auswirken. Die Beteiligung gerade auch von sozial schlechter gestellten Berlinern, die sonst eher nicht am Diskurs teilnehmen, ist deswegen auch eine gute Chance, die Akzeptanz der zu beschließenden Maßnahmen zu erhöhen. Am Ende aber muss die Rollenverteilung klar sein: Der neue Klimarat empfiehlt, Politiker wägen ab, gleichen unterschiedliche Interessen aus und entscheiden.
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